Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Untertanen gegebenes Wort hält und der schändlichen Tyrannin den Hungertod auferlegt.“
Sofort wurde das schreckliche Gericht vollzogen. Rosalia wurde geknebelt und auf einen Querbalken gesetzt und in den Hungerturm gehängt. Von hier aus konnte sie nun auf die vermoderten Überreste ihrer Opfer schauen, an denen das grünäugige, zischende und pfeifende Ungeziefer schon nagte. Ein einziger, spärlicher Lichtstreif stahl sich durch ein enges Fensterloch. Zu jeder Viertelstunde mussten die Wachen zur Öffnung in den Hungerturm treten und rufen:
„Salah he!“
Sieben Tage lang erhielten sie wimmernde Antwort, am achten Tage aber war es still geworden in der schauerlichen Gruft.
Jedoch wandelte ab jetzt jede Nacht Punkt Mitternacht der Geist der Burgfrau um den schwarzen Turm von Forchtenstein. Jahrhundertelang trat dann die Burgwache mit dem Gewehr hervor und rief gedehnt: „Salah he!“, worauf die Spukfrau verschwand. Als dann ein Burgherr im 15. Jahrhundert zur Sühne auf dem höchsten Ort des nahen Berges die Rosalienkapelle erbauen ließ, da war der Geist der Burgfrau für immer erlöst. Selbst das Gebirge trägt den Namen Rosalia der einstigen Fürstin von Forchtenstein, und auch den Wintersportlern ist er heute ein Begriff.
Das Halslöserätsel
Ein Familienvater, der für nicht weniger als sieben Kinder zu sorgen hatte, stand einmal vor einer sehr schweren Entscheidung. Die Zeiten waren schlecht, es gab wenig Arbeit, und wer das Glück hatte, eine Stellung zu haben, der bekam für einen schweren und langen Arbeitstag nur einen Hungerlohn – es waren ja genug andere da, die alles für eine Anstellung gegeben hätten. In diesem Jahr gab es viele Unwetter, dementsprechend schlecht fiel auch die Ernte aus und die Bauern stellten fast keine Erntehelfer ein. Dadurch wurden natürlich auch die Nahrungsmittel teurer. Der Vater musste alleine sieben Kinder durchbringen und er wusste nicht mehr, woher er das Geld für das Essen nehmen sollte. Ein Freund brachte ihn auf die Idee, doch in der Nacht mit ihm auf die Felder der Großbauern zu gehen und sich das zu nehmen, was er eben brauchte. Dem Vater schauderte – er würde zum gemeinen Dieb werden, und in diesen Zeiten wurde der Raub von Nahrungsmitteln mit dem Strick gestraft.
Doch die Lösung seiner Probleme war so verlockend einfach, dass der Mann mit auf die Felder ging und sich die mitgebrachten Taschen vollstopfte. Schwerbeladen ging es nun heim, doch der ungeübte Dieb wurde bald schon ohne große Anstrengungen von der Polizei auf frischer Tat ertappt und verhaftet. Der Vater musste vor Gericht und hatte nichts Gutes zu erhoffen. Und tatsächlich, er wurde zum Tode am Galgen verurteilt. Da er jedoch aus großer Not gehandelt hatte, gaben ihm die Richter eine Möglichkeit, sich vor diesem Tode zu erretten und sogar seine Freiheit wiederzuerlangen.
„Stelle uns ein Rätsel, das wir Gerichtsherren nicht zu lösen vermögen und du bist frei!“
Da ging nun der arme Verurteilte in seiner Zelle umher und zerbrach sich den Kopf, um solch ein Rätsel zu finden. Doch vergebens, je mehr er nachdachte, desto weniger fiel ihm ein, was er den studierten Herren zur Denkaufgabe geben könne. Am Abend vor der Rechtssprechung und Hinrichtung, bat er nun seinen Gefangenenwärter, er möge ihn auf den Friedhof gehen lassen – er wolle sich den Galgen, an dem er gehängt werden würde, ansehen. Diese letzte Bitte wurde ihm erfüllt, und so wanderte er zum Friedhof hinaus.
Er war eben durch das knarrende Tor getreten, als knapp vor ihm eine Meise aufflog. Doch beachtete er den kleinen Singvogel nicht, weil er nur auf den grauen Galgen hinsah. Was würde aus seinen Kindern werden, wenn er nicht mehr für sie sorgen konnte? Trauriger als er gekommen war, verließ er den Friedhof. Da flog wieder die Meise knapp vor seinen Füßen auf. Nun sah er aber doch genauer hin und entdeckte am Boden etwas sehr Sonderbares. Er kniete nieder, betrachtete dieses seltsame Ding, und siehe da – es fiel ihm das erlösende Rätsel ein, er musste nur noch einen gewitzten Reim daraus machen. Von Freude erfüllt dankte er Gott, dass er ihn trotz seiner Schlechtigkeit dennoch die rettende Frage finden ließ und kehrte frohen Herzens wieder in seine Gefängniszelle zurück.
Am nächsten Tag wurde er frühmorgens geholt und abermals vor seine Richter geführt. Wieder wurde ihm das Urteil verlesen und dann die Frage an ihn gerichtet, ob er ein Rätsel für den Rat wisse, das zu lösen die
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