Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
sein Sohn. Nun hatte Katharina von Salamanka keinen lebenden Menschen mehr, der ihr etwas bedeutete, und so wendete sie sich dem zu, was für sie einen bleibenden Wert hatte, und das waren die Schätze der Burg. Es gab keine Nachkommen der Familie und so beschloss sie, ihren Besitz nicht in fremde Hände fallen zu lassen.
Ihre Zofe wies sie an, einen Maurer ausfindig zu machen, der für sie ihr Gold und ihren Schmuck in ein sicheres Gewölbe vermauern sollte. Denn kein Mensch sollte sich an den Werten ihrer Familie bereichern und erfreuen können. Dem Maurer und der Zofe nahm sie heilige Schwüre ab, nie irgendjemandem von diesem Geheimnis zu erzählen. Doch wusste die Salamanka, dass nichts lieber ausgeplaudert wurde als ein Geheimnis, und als der Maurer sein Werk schon fast vollendet hatte, gab sie ihm von hinten einen Stoß und stürzte ihn in das Verlies hinab. So hatte sie wenigstens einen Zeugen aus dem Weg geräumt und schon war ihr um einiges wohler.
Aber es war noch immer die Zofe da, die zweite Mitwisserin des Geheimnisses. Die Gräfin konnte keine Ruhe finden, solange diese lebte und die Existenz von dem eingemauerten Schatz ausplaudern könnte. Eines Nachts, als ihre Zofe schlief, schlich sich Katharina an ihr Bett, zog ihren Pantoffel aus und schlug ihr mit dem Absatz so gewaltig auf die Stirn, dass die Schlafende nie wieder aufwachte.
Nun wusste sie endlich ihren Schatz in Sicherheit – doch die Salamanka fand noch immer keine Ruhe, denn nun bekam sie doch Gewissensbisse wegen ihrer schrecklichen Morde. Wie ein Gespenst begann sie nun Tag und Nacht durch die einsamen Säle des Schlosses zu huschen, bis schließlich eines Morgens die Diener sie tot am Boden liegend fanden. So war auch die Letzte aus dem Geschlecht der Ortenburger gestorben und wurde in der Familiengruft beigesetzt.
Die Zeit verging und eine neue Adelsfamilie kaufte die Ortenburg und zog darin ein. Niemand erinnerte sich an die furchtbaren Ereignisse und fröhliche Menschen begannen schließlich eines Tages ein großes Fest auf der Burg herzurichten. Die Tochter des Fürsten wollte Hochzeit feiern und viele fleißige Hände nähten am Brautkleid der schönen Tochter. Doch jeden Morgen war es das gleiche Bild, das sich ihnen bot – das Werk des Tages war in der Nacht wieder vernichtet worden. Stofffetzen lagen in den Zimmern verstreut und was immer man auch versuchte, dem Spuk war kein Ende zu bereiten.
„Die Salamanka, die Salamanka!“, flüsterten die Bediensteten leise und sahen das nächtliche Werk bald als ein Zeichen von kommendem Unglück.
Und wirklich erschien eines Tages ein schwarz gekleideter Bote auf der Burg und brachte die traurige Nachricht, dass der Bräutigam der Fürstentochter auf der Reise gestorben war.
So hatte Salamanka das kommende Unheil den Bewohnern der Ortenburg schon angezeigt.
Einmal kam ein junger Soldat nach Spittal an der Drau und hörte die Einheimischen von der Salamanka erzählen. Er konnte das natürlich nicht so recht glauben und dachte bei sich, dass er der Sache auf den Grund gehen wolle. Da das Schloss zu dieser Zeit unbewohnt war, ging er zum Wirt und gab nicht eher auf, bis man ihn in dem alten Schloss übernachten ließ.
Am nächsten Morgen verließ er jedoch schon im Morgengrauen schleunigst das alte Gemäuer und redete mit niemandem ein Wort darüber, wie er die Nacht verbracht hatte.
Der Schlossverwalter fand aber an der Wand des Saales neue Spuren von kräftigen Säbelhieben, wie nach einem Kampf. So hatte die geisternde Salamanka den jungen Soldaten das Fürchten gelehrt.
Ein anderer kam nicht so gut davon. Als auf dem Schloss einmal ein großes Essen gegeben wurde, schaute sich einer der Gäste unentwegt die Personen der Tischgesellschaft an – so, als würde er jemanden unter den Anwesenden suchen. Die Gastgeberin bemerkte seinen suchenden Blick und fragte:
„Vermissen Sie jemanden unter den Gästen, mein Lieber?“
Der Herr errötete und begann dann von seinem Erlebnis der letzten Nacht zu berichten: Als alle anderen im Schloss schon schliefen, saß er noch und schrieb in sein Tagebuch. Durch eine zu schnelle Bewegung löschte er die Kerze aus und daraufhin fiel ihm auf, dass im Flur ein Lämpchen brannte. So ging er hinaus, um seine Kerze daran zu entzünden. Kurz bevor er jedoch das Lämpchen erreicht hatte, stand plötzlich eine große, todbleiche Frau mit einer Laterne in der Hand vor ihm.
Schweigend deutete sie ihm, dass er seine Kerze an ihrem Licht anzünden
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