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Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)

Titel: Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Morscher , Berit Mrugalska
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Richter nicht imstande wären. Hierauf trat er vor und sagte, ja, er wisse eines und möchte es gerne vortragen. Wie spielfreudige Kinder forderten die Richter ihn nun auf, doch bitte das Rätsel zu stellen.
    Der Familienvater nahm seinen ganzen Mut zusammen, dass er nur ja nicht stottere und sich verhaspele, und er trug den studierten Männern klar und deutlich sein Rätsel vor:
    „Hinein gang ich,
    heraus kam ich:
    Sieben Lebendige aus einem Toten,
    der Achte macht den Neunten frei.
    Rat’s wuhl, meine Herren,
    was dies wohl sei!“
    Die Richter waren verblüfft, denn sie hatten kein unbekanntes Rätsel erwartet und fingen an zu raten. Sie rieten hin, sie rieten her, aber keiner fand des Rätsels Lösung. Und die Zeit verrann, Stunde um Stunde. Schon rückte die letzte Stunde heran, die den armen Familienvater auf den Galgen bringen sollte. Doch die Richter fanden des Rätsels Lösung nicht und mussten ihn freisprechen, denn so war es ausgemacht. Als er nun um die Lösung gefragt wurde, erzählte er von seinem Friedhofsbesuch und was er dort entdeckt hatte:
    „Als ich mich an der Stelle niederkniete, von wo die Meise zweimal aufgeflogen war, bemerkte ich einen Totenkopf, in dessen leerem Inneren sich die Meise ein Nest gebaut hatte. In diesem Nest reckten bereits sieben Junge ihre Schnäbel hungrig nach oben. Da dachte ich bei mir: ‚Schau her, sieben Lebendige aus einem Toten!’, womit ich den Totenschädel meinte. Die Lebendigen sind natürlich die jungen Meisen. Der Achte, das ist die Meisenmutter, macht den Neunten, der ja ich war, weil ich zum Tode verurteilt war, frei. Ist das nicht das schönste und sonderbarste Rätsel für meine Rettung?“
    Da waren die Richter alle sehr erstaunt und schauten ihn mit großen Augen an. Der arme, aber überglückliche Familienvater konnte geradewegs zu seinen Lieben heimeilen und wusste, dass er so eine Chance nur einmal im Leben bekommen hatte.
    O weh, wie ist der Pflug so heiß
    Ein Bauer, der sich ganz schlau vorkam, ackerte jedes Mal beim Pflügen eine Furche vom Grund des Nachbarn mit um und stahl auf diese Weise mit der Zeit einen Strich Boden. Zur Strafe musste er nach seinem Tod mit einem feurigen Pflug über den kleinen gestohlenen Acker auf- und abpflügen. Dabei hörte man ihn oft jämmerlich schreien:
    „O weh, wie ist der Pflug so heiß,
    und niemand mir zu helfen weiß!“
    Endlich nahm sich der neue Hofbesitzer ein Herz und verlegte die Grenzsteine wieder auf den richtigen Platz. Da rief in der folgenden Nacht der Geist mit freudiger Stimme:
    „Erlöst, Gott sei Dank, bin ich jetzt,
    der Markstein ist auch recht gesetzt.“
    So einen Grenzsteinversetzer, auch Marchegger genannt, gibt es auch im Oberinntal bei Stams. Diese nächtliche Gestalt ist Alt und Jung bekannt und wird auch „der Waldgeist“ genannt.
    Es gingen einmal zwei junge Bauernknechte von Stams in finsterer Nacht nach dem benachbarten Dorf Silz, wo sie daheim waren. Sie schlugen den nächsten Fußpfad über die Wiesen ein, welcher bei den großen Eichen über den Weiler Staudach vorbei führt, links von der Poststraße, es kennt ihn wohl jeder Silzer.
    Kaum waren sie einige Minuten auf dem Weg, da hörten sie eine klägliche Stimme rufen:
    „Wohin? Wohin?“
    Die zwei Knechte erschraken und riefen: „Hierher!“, und gingen langsam weiter.
    Aber bald sahen sie eine feurige Gestalt aus dem nahegelegenen Wald heraus und schnellen Schrittes auf sie zu kommen. Jetzt wurde ihnen angst und bange, und sie nahmen die Füße in die Hände, sie liefen so schnell sie konnten nach Silz zu, der Waldgeist aber lief hinten nach und war ihnen dicht auf den Fersen.
    Sobald sie das Dorf erreicht hatten, bekamen sie vom feurigen Waldgeist jeder einen starken Schlag auf den Rücken und das war alles. Am andern Tag schauten sich beide ihre Kleider an und sahen den schwarzen Abdruck einer eingebrannten Hand, von der sie den Schlag bekommen hatten. Wenn sie die verbrannte Stelle ausbessern lassen wollten, so fiel jedes Mal der aufgenähte Flicken wieder herunter und die Hand kam wieder zum Vorschein. Doch sie hatten das Mal nicht nur auf ihren Jacken, auch auf ihrem Rücken war die schwarze Hand abgebildet und blieb dort für ihr ganzes Leben.
    Der Waldgeist aber war ein Grenzsteinfrevler gewesen, wenn sie ihn nicht gefoppt hätten, dann hätte er ihnen auch nichts getan.
    Nicht weit davon entfernt, auf dem Mieminger Plateau, ist etwas ganz Ähnliches passiert.
    Ein Mann, der von Mötz heraufkam, begegnete

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