Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
bei Grein fand die Fahrt ein frühzeitiges Ende. Das Donauschiff geriet in den berüchtigten Strudel, wurde an die Felsen geworfen und zerschellte. Der Geselle war jung und stark, konnte zudem sehr gut schwimmen und kam wohlbehalten am Ufer an. Sein Bündel mit dem Schlegel und dem goldenen Sparpfennig war allerdings auf Nimmerwiedersehen in den hohen Wellen versunken.
So kam er zwar heil und unversehrt, aber ärmer als er ausgezogen war nach mehreren Jahren in die Heimat zurück. Guten Mutes machte er sich wieder frisch an die Arbeit und war mit Fleiß und Ausdauer nach einigen Jahren so weit, dass er eine Frau heiraten und seine eigene Werkstätte aufmachen konnte.
An einem schönen Sonntag spazierte der junge Meister mit seiner hübschen Frau am Ufer des Neusiedler Sees entlang. Zufrieden war er mit sich und der Welt, so schritt er gemächlich dahin und ließ seine Blicke über den See schweifen. Da sah er nicht weit vom Ufer entfernt ein merkwürdiges, hölzernes Ding im Wasser treiben. Mit einem Stock versuchte er, sich den seltsamen Gegenstand zu angeln und es gelang ihm auch. Vor lauter Staunen blieb ihm der Mund offen stehen und er brachte kein Wort heraus. Was er da in den Händen hielt, das war sein alter Schlegel, den er vor Jahren im Strudel der Donau bei Grein verloren hatte. Das Werkzeug war unbeschädigt, und so kam er auch wieder zu seinen zehn Dukaten, die noch im hohlen Stiel des Schlegels versteckt waren.
Wie aber konnte der Schlegel hierher in den Neusiedler See gekommen sein? Er konnte doch nur durch eine unterirdische Verbindung hierher gelangt sein, denn eine oberirdische existiert nicht. Durch diesen Fund ist eine unterirdische Verbindung zwischen der Donau und dem großen Neusiedler See quasi bestätigt und der bekannte See im Burgenland ist um ein Rätsel reicher.
Ein Waldbruder wandelt über den Bodensee
Einst lebte in den damals noch rauen und zerklüfteten Bergen südlich des Bodensees ein Klausner, der tat allerhand Wunder. Dieser Mann hatte keine hohe Schulbildung und war ein einfacher Geselle, der früher ein mühseliges und arbeitsreiches Leben geführt hatte. Dann aber ließ er sich vom inneren Geist führen und sehnte sich nach einem Leben in Stille und Frieden und zog sich schließlich in die Einsamkeit zurück. Nach einiger Zeit bemerkte er, dass er ein Talent besaß, das er in den früheren Jahren nie an sich bemerkt hatte.
Den Kranken, denen er Zuversicht zusprach, wurde wohler und wohler und zuletzt gesundeten sie sogar. Selbst die Tiere des Waldes, die Vögel und das Wild versammelten sich bald um seine Hütte und suchten seine Nähe und die Worte, die er zu ihnen sprach. Mit der Zeit kam es ihm dann so vor, als wenn er ihre Sprache verstehen könnte. Sie teilten ihm mit, was sie durch ihr freies Umherschweifen im Land wussten, und so konnte er wiederum die Menschen vor dem herannahenden Feind oder anderen schlimmen Dingen warnen. Es sollen dann noch andere Wunder mit ihm geschehen sein, die von den weit entfernt lebenden Menschen, also seinen Nachbarn, wahrgenommen wurden. Bald wurde er in der gesamten Umgebung als ein besonders frommer und gottesfürchtiger Mann angesehen und beeindruckte alle mit seinem freundlichen Wesen und der Hilfe, die er jedem Bedrängten leistete. Mit den formellen Vorschriften und dem Latein der Kirche kannte sich der einfache, alte Mann allerdings wenig aus.
Bald gelangte sein Ruf als „Wundermann vom Bodensee“ bis zum Bischof von Passau, der beschloss, diesem der Kirche bisher unbekannten Waldbruder einen Besuch abzustatten und ihm genauer auf den Zahn zu fühlen. Lebte dieser Klausner nach den frommen Vorschriften der Kirche oder nach seinen eigenen Regeln und Gesetzen?
So reiste der Bischof an den Bodensee, mietete sich in Buchhorn ein Schifflein und fuhr mit seinem Gefolge an das Südufer hinüber, wo er in Richtung Berge zog. Als er dann am nächsten Tag die Hütte des Klausners erreichte, fragte er sich, was wohl dieser einfältige Alte für Wunder vollbringen konnte. In größter Bescheidenheit empfing der Einsiedler den hohen Kirchenmann, und als ihn der Bischof fragte, welches Gebet er denn zu sprechen pflege, antwortete er:
„Misere me Dominus!“
Da hatte der Bischof genug gehört und gesehen und konnte nur schwer ein Lachen unterdrücken. Wie sollte wohl einer Wunder vollbringen können und von Gott besonders gesegnet sein, der in den drei Worten seines armseligen Gebetes gleich drei Fehler machte!
Er klopfte dem Alten
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