Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
köstlich war. Sie nahm ihn mit in ihren Bergpalast, wo er von anderen Saligen begrüßt und bewirtet wurde. Als er sich wieder aufmachte, da ermunterten sie ihn, doch öfter vorbeizuschauen, doch dürfe er zu niemanden ein Wort von ihnen erzählen und auch keine Gämsen mehr jagen. Viele Wochen ging der junge Hirt nun zu den Saligen Fräulein und ließ sich verköstigen, umgarnen und vieles mehr. Seine Eltern dachten natürlich, er würde zu einem Mädchen gehen, denn er sprach nicht mehr viel, aß fast nichts mehr bei ihnen und war doch nicht mager und war sehr oft fort und keiner wusste, wo er steckte.
„Ja, magst du sie uns nicht einmal vorstellen, die Deinige!“, sprach ihn der Vater eines Abends lachend an, „oder ist sie „schiach“ wie die Nacht?“
„Nein, nein“, gab er errötend zur Antwort, „ganz im Gegenteil, keine hat so lange, schöne blonde Haare und so strahlend blaue Augen wie sie!“
„Bua, was redest du da, du beschreibst mir doch nicht etwa eine Salige?“, rief der Vater entsetzt aus.
Da lief er einfach aus dem Haus, der junge Hirt, er durfte ja nicht von ihnen erzählen und seinen Vater anlügen wollte er auch nicht. Aber wo sollte er hin, wenn nicht zu seinen Saligen Fräulein, doch als er vor der Höhle ankam, da war sie von dieser Stunde an für ihn verschlossen. Da half kein Bitten und half kein Klagen – der Berg blieb verschlossen.
„Ha, wenn ihr das unter Treue versteht, dann kann ich auch anders“, schwor er sich und ging gleich in den kommenden Tagen auf die Gamsjagd. In seinen Gedanken gab es nur noch Rache, und nachdem er auf den Berg gestiegen war, sah er auch schon eine Gams, verfolgte sie, legte das Gewehr an und schoss. Kaum aber hatte er das getan, so stand das Salige Fräulein zwischen ihm und dem gehetzten Tier. Sie schaute den Jäger unglaublich freundlich, aber wehmütig an, und dieser war so sehr verzaubert von ihrem Blick, dass er in den Abgrund stürzte.
Auch in Sölden im hintersten Innerötztal gibt es zahlreiche Plätze, wo sich in alten Zeiten wilde Fräulein aufgehalten haben. Im Windachtal, wo der Freilaskofl nach den Saligen Fräulein benannt ist, auf dem Leiterberge, auf Hamrach und im Gamizlöck sollen sie ihre Bergpaläste gehabt haben. Die alten Leute im Tal haben es noch gesehen, wie die schönen Fräulein sich auf den großen Steinen ihr wunderschönes, flachsfarbenes Haar gekämmt und ihre blendend weiße Wäsche getrocknet haben.
Auch so mancher Jäger hatte das Glück, sie zu Gesicht zu bekommen, doch war es an so einem Tag mit dem Jagdglück vorbei, denn die wilden Fräulein waren die Beschützerinnen der Tiere, und besonders lagen ihnen die Gämsen am Herzen.
Im Windachtal droben, im Warenkar, soll einem Jäger einmal Folgendes passiert sein:
Eine Salige hatte eine Gämse als Haustier, an der sie sehr hing. Als die Salige eines Tages nicht zu Hause war, da kam ein Jäger, sah die schöne Gämse und schoss sie. Als er ins Tal abstieg, da begegnete ihm das wilde Fräulein.
„Hast du vielleicht auf dem Weg meine Gämse gesehen?“, fragte sie ihn.
„Ich weiß leider nicht, welche die deinige ist, aber ich habe in der Früh ein prächtiges Tier geschossen“, gab er ihr ehrlich zur Antwort.
Da sagte sie ihm, dass es ihre Gämse war, die er geschossen hatte, und verfluchte ihn. Von dieser Minute an hatte der Jäger kein Jagdglück mehr, und auch sonst schien jegliches Glück von ihm gewichen zu sein.
Auch in der Gamslecke oberhalb Sölden gibt es eine große Felsenhöhle, welche nach ihren Bewohnerinnen die Fräuleinhöhle heißt. Vor ewigen Zeiten sollen dort kleine, nette Weiblein gewohnt haben, die nicht einmal mehr die Ältesten im Dorf gesehen haben, aber doch noch die Reste ihre Habseligkeiten in der Höhle.
Diese Fräulein kannten sich hervorragend mit der Wetterprognose aus. Sie wussten schon ein Jahr im Vorhinein, ob das kommende Jahr ein gutes oder schlechtes sein würde. Auch konnten sie den Bauern sagen, wann sie säen und wann sie ernten sollten. Es war einmal im Herbst, der Roggen stand noch fast grün auf dem Acker, da sagte ein Fräulein zu einem Bauern:
„Schneide jetzt deinen Roggen!“
Der Bauer vertraute ihren Worten, schnitt den Roggen und brachte ihn ein. Als das die übrigen Bauern sahen, lachten sie ihn aus und nannten ihn „den Einheimser“. Dann aber war ihnen nicht mehr zum Lachen, als ihr Roggen noch auf dem Feld stand und es zu schneien anfing und nicht mehr aufhörte, sodass der Roggen auf den
Weitere Kostenlose Bücher