Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
arteten bald in Spötteleien aus, doch die Salige ließ sich immer noch nicht aus der Ruhe und von der Arbeit abbringen. Letztendlich ergriff er den Wiesbaum, die lange Stange, die auf das Heu gezurrt wird, damit es nicht hinunterfällt, und warf ihn der Saligen auf die Füße – doch er traf nicht den Fuß der Saligen, sondern seinen eigenen. Und das so unglücklich, dass er sein Lebtag lang hinken musste.
Obwohl die Saligen nur den Schwachen und Guten helfen und in Frieden leben wollten, so wurden sie auch verfolgt, und das vom Wilden Mann, und so mancher einheimische Mann hat ihnen ebenso das Leben schwer gemacht. Auch auf dem Hof Reisch in Zell im Zillertal hielten sich oft Salige Frauen auf und bewahrten das Haus und seine Bewohner vor allem Übel. Dem Bauern war das aber gar nicht Recht, „bin ich etwa ein Herbergsvater“, sprach er oft und hasste im Stillen die Saligen oder „Talgilgen“, wie die Saligen im Zillertal auch genannt werden.
Einmal wurde eine der Saligen vom Wilden Mann verfolgt und sie konnte sich gerade noch in das Flachsfeld von Reisch retten, denn im Flachs sind die Saligen vor ihren wilden Verfolgern sicher. Der Bauer hatte alles mit angesehen und trieb die Arme aus seinem Feld, lachend rief er dem Wilden Mann zu:
„Die Holbe mir,
die Holbe dir!“
Der Bauer musste noch auf einem anderen Feld nach dem Rechten schauen, als er aber nach Hause kam, da hing die eine Hälfte der Saligen an einem Nagel an seiner Haustür. Jetzt wurde dem Bauern ganz anders, und er hatte von diesem Augenblick an keine gesunde Stunde mehr. Ein Saliges Fräulein ließ sich hier natürlich nicht mehr blicken.
Von den Fanggen
Ein Bauer aus Arzl im Pitztal ging einmal in den Wald, um Kienholz zu machen. Dort fand er aber einen so harten Zunderstock, dass es ihn viel Mühe kostete, ihn zu „klieben“. Als er mit dieser Arbeit beschäftigt war, kam eine Fangga daher. Die Wilde Frau war mit Baumbart, den Baumflechten in den hochgelegenen Bergen, und Fellen von wilden Tieren bekleidet. Sie sah aus wie alle anderen Fanggen auch – stark behaart, mit einem großen Mund, der von einem bis zum anderen Ohr reichte –, und in ihrem schwarzen, borstigen Haar hatte sich ebenfalls Baumbart verklettet. Mit ihrer tiefen, männlichen Stimme fragte sie den Bauern:
„Wie heißest du?“
Da antwortete der Bauer, der nicht auf den Kopf gefallen war, dem Waldweibe:
„Saltthon“, was im Dialekt so viel wie „Selber getan“ bedeutet.
Da sprach die Fangga freudig: „Jetzt bekomme ich einmal Menschenfleisch zu essen, das soll mir schmecken.“
Darauf sagte der Bauer, der ein pfiffiger Kauz war: „Du wirst mich aber wohl nicht roh essen wollen! Wenn das Fleisch schmecken soll, muss es gebraten sein.“
Nun fragte die Fangga: „Wie geht denn das, ich kann kein Feuer machen?“
Da erwiderte der Bauer: „Du musst zuerst diesen Zunderstamm „klieben“ und in handliches Feuerholz spalten, ihn dann anzünden und erst danach kannst du mich am Feuer braten. Fahr nur mit deinen starken Händen hinein und reiß den Stock auseinander.“
Das tat das Waldweib und griff in die Spalte hinein. Der Bauer zog aber sofort den hineingeschlagenen Keil heraus, und die Fangga hatte nun ihre Hände im großen Baumstamm eingeklemmt. Wie sie sich so überlistet und gefangen sah, fing sie an zu schreien und um Hilfe zu rufen. Da kam der Wilde Mann im wilden Galopp herabgetümmelt und machte bei jedem Schritt dazu viel Lärm, dass noch heutzutage der Ort Timmels heißt. Schon im Laufen rief er:
„Wer hat dir ein Leid angetan?“
Da antwortete die Fangga: „Saltthon.“
Als der Waldmann dies hörte, war er ärgerlich und rief: „Saltthon, saltg’litten!“
Dann lief er davon und ließ die Fangga im Stich, denn wenn sie sich selber wehgetan hatte, dann musste sie halt auch selber leiden. Der Bauer kam nun mit heiler Haut nach Hause, wagte sich aber nie mehr so hoch in den Wald hinauf.
Sagen von Fanggenkindern, wie sie im Oberinntal und auch in Vorarlberg gern erzählt werden, kennt auch das Paznauntal. Sie ähneln einander sehr und weichen nur in den Namen ab. So kam zu Langesthei, wo nach dem Sprichwort „nicht einmal der Stubenboden waagrecht liegt“, einst zu einem Bauersmann ein Mädchen. Es war von ganz hübscher Gestalt und hatte auch ein nettes Gesicht, es trug einfache Dienstbotenkleidung und bat ihn, es in den Dienst zu nehmen, was der gute Mann aus Erbarmen auch tat. Das Mädchen diente viele Jahre fleißig und
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