Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Feldern verdarb.
Die Fräulein hatten übrigens nicht nur die jungen Hirten und die gestandenen Männer gerne, sie mochten auch die kleinen Burschen sehr gerne und nahmen sich ihrer in mütterlicher Weise an. Diese Burschen lockten sie in ihre Höhlen, wo sie ihnen die besten Speisen auftischten, und jeder Wunsch wurde ihnen von den Augen gelesen. Aus diesen verzogenen Kindern wurden dann später die ärgsten „Ragger“ im Tal. Besonders im Winter führten diese Zöglinge der Weiblein ein tolles und wildes Leben. Auf kleinen, goldenen Schlitten wurden sie kutschiert oder schossen „über Teufl und Tuifl“ wie man im Ötztal sagt, ins Tal herunter.
Nun aber ließen die Söldner Eltern, die dies gesehen hatten, ihre Kinder nicht mehr zur Höhle der Wilden Fräulein hinaufgehen. Und der große Katzenjammer für die Wilden Fräulein begann, denn die kleinen Burschen fehlten ihnen wirklich sehr. Sie jammerten und klagten, und besonders in den stillen Nächten hörte man sie bis ins Tal hinab weinen. Ein Knabe, der ein Fräulein allzu gern hatte, konnte das Klagen nicht länger mit anhören, er lief seinen Eltern einfach davon und schlich sich zu seiner kleinen, geliebten Ziehmutter. Die Eltern ließen überall nach ihrem Sohn suchen, doch er wurde nicht gefunden. Als man in der Walpurgisnacht in der Höhle droben Klaggesänge hörte, da liefen die Einwohner von Sölden zum Höhleneingang und lauschten:
„Die Runa und der Tuit sind g’storben,
uns trifft’s morgen!“
Und seit dieser Nacht hatte man die Wilden Fräulein nie wieder gesehen, die rätselhaften Weibchen und der Knabe waren spurlos verschwunden.
Auch in den abgelegenen Osttiroler Schluchten und Nebentälern des Iseltales erzählt man sich viel von den sogenannten „Salig’n Leut’n“. Die „alten Leut’“ sagen, dass sie Kinder Adams sind, die er schon vor dem Sündenfalle gezeugt hat. Daher konnten sie im irdischen Paradies leben bleiben, anders als die Nachkommen von Adam und Eva. Doch nachdem Gott Gericht gehalten hatte, sprach er auch ein besonderes Urteil über sie, das mit ihrer eigenartigen Lebensweise zusammenhängt. Der wichtigste Unterschied zum Menschen ist aber, dass sie keine Seele haben.
In Schlaiten im Iseltal lebte hoch oben auf einem Berg ein Bauer namens Griedling. Zu diesem kam jeden Sonntag eine Salige, während alle anderen in der Kirche im Tal waren, und nur die Magd oder die Bäuerin, welche gerade zu Hause das Sonntagsessen bereitete, war in der Küche. Die Salige streckte immer ihre Hand durch das offene Küchenfenster, und die Frau in der Küche gab ihr von den schon bereiteten Speisen. Sodann sprach die Salige ihren Segen über Haus und Hof und ging wieder in den nahen Wald zurück. Die Salige war so um die 30 Jahre und blendend schön, sie trug die gewöhnliche Landestracht und ihre Haare waren nie zusammengebunden.
Nach einigen Jahren hatte der Bauer dann eine geizige und neidische Magd, die lieber daheimblieb, als den weiten Weg in die Kirche zu gehen. „Na warte“, dachte sie sich eines Tages in der heißen Küche. „Ich stehe hier und arbeite mich krumm, während die Schöne mit ihren fein gekampelten Haaren nur die Hand durchs Fenster zu stecken braucht und gefüttert wird.“ Sie nahm das Beil und hackte der Saligen, als diese wieder ihre bittende Hand durchs Fenster steckte, einfach den Arm ab. Die derart misshandelte Salige ging langsam weiter und gab zu verstehen, dass der Segen Gottes von nun an Haus und Hof verlassen hatte. Außerdem werde sich von diesem Tag an immer eine kranke oder behinderte Person in der Familie befinden, solange das Haus stehe.
Und so ist es auch eingetroffen, denn der Viehstall des Bauern war zwar immer gut gefüllt, aber seine Geldschulden wollten nicht von ihm weichen. Seine Tochter aber, der war der gesamte Rücken mit Schweinsborsten bewachsen, so dass kein Mann sie haben wollte und sie zur Altjungfer wurde.
Auch in Völs bei Innsbruck kam es dazu, dass ein Saliges Fräulein gestraft hat. Es war ein glühend heißer Sommernachmittag, und die Dirnen waren dabei, auf dem Feld das Heu zusammenzurechen. Die Männer nahmen es dann mit ihren Gabeln und luden es auf den Wagen auf. Auch ein Saliges Fräulein war darunter und half, so wie sie immer den fleißigen und guten Menschen half. Einer der Heuer hatte ein Auge auf sie geworfen und wollte vor ihr großtun, aber er konnte bei der Saligen keinen Eindruck schinden. Seine Neckereien wurden schließlich immer derber und
Weitere Kostenlose Bücher