Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
dass der Had sie mit den Händen hochhalten musste, um überhaupt etwas sehen zu können.
„Du, Bauer!“, sprach er, „ich kann meine Augenbalken nicht mehr länger aufhalten. Geh, führe doch du mich auf den Berg in mein Haus!“
Der Bauer zitterte vor Angst am ganzen Körper und brachte keinen einzigen Ton heraus, da sprach der Had weiter:
„Geh Bauer, sei so gut, es wird dein Schaden nicht sein und ich werde dich reich belohnen. Schau einfach den Berg hinauf und lass uns gehen!“
Mit schlotternden Knien machte sich der Bauer auf den Weg, er wusste ja nicht, wohin er den Wilden führen sollte, doch verließ er sich auf dessen Worte und ging einfach der Nase nach auf den Berg hinauf. Natürlich nahm er den größten Stock vom Hof mit, der eine schwere Eisenspitze besaß, und tat so, als wenn es ein Wanderstock wäre. So wanderten die beiden eine Weile schweigend bergan, der Bauer voran und der Had, welcher sich mittlerweile am Stock des Vordermanns festhielt, um ihm blindlings folgen zu können, hinterher. Als sie auf einer Höhe angekommen waren und es keinen Wald, sondern nur noch grasige Wiese gab, verlangte der Had zu halten, damit er sich umschauen könne.
„Schon recht, schon recht“, sagte er und ließ seine Augenlider wieder sinken. „Ich tät’ den Weg jetzt schon alleine finden, doch sollst du noch deinen Lohn bekommen und den habe ich nicht bei mir. Jetzt ist’s nicht mehr lang, nur weiter!“, spornte er den Bauern an, der schon recht erschöpft war.
Endlich hielt der Had bei einem Wachholderbusch an, der an einem Felsblock stand, bückte sich und schob beides zur Seite. Schon war der Weg zur Grube, in der er wohnte, freigelegt und auf einen Wink folgte ihm der Bauer in die Tiefe.
Sie kamen in eine Höhle hinein, die vollkommen leer war, dann in eine zweite, in der überall verstreut Unmengen an Schuhen – fertige und halbfertige –, Schuhsohlen, Über- und Unterleder herumlagen. Alles schien nur darauf zu warten, dass endlich weitergearbeitet werden würde.
„Ich suche dir jetzt deinen Lohn“, sagte der Had, „du aber bleibst hier und rührst dich nicht von der Stelle und wirst das nehmen, was ich dir bringe!“
Schon war der Koloss verschwunden und der Bauer blieb allein im schummerigen Licht zurück. „Was braucht der denn so lange, um mir meinen Lohn zu suchen, der soll mir ein Paar Schuhe geben und ich bin zufrieden!“, sagte der Bauer missmutig zu sich selber, doch der Had stand schon wieder vor ihm und hatte alles gehört.
„Hatte ich nicht gesagt, du sollst das nehmen, was ich dir bringe? Wenn du still gewesen wärst, hättest du das hier bekommen“, und er zeigte ihm einen Klumpen, der ein goldgelber Karfunkelstein war. „So bekommst du nur das hier“, er gab ihm einen kleinen Stein, der immer noch den Wert eines Königreiches hatte. „Tja, und dein Paar Schuhe sollst du auch haben. Aber merke dir gut, du darfst damit niemals auf einen Friedhof gehen!“
Dann führte er ihn wieder aus der Höhle hinaus und sagte zum Abschied:
„Halt mir deinen Finger her, damit ich sehen kann, wie stark die neue Welt ist!“
Da erinnerte sich der Bauer an seinen Stock mit der schweren Eisenspitze und reichte ihm diesen. Der Had fasste die Spitze mit seiner Hand und zerdrückte sie wie Butter. „Sein tut’s nicht einmal gar so schlecht“, sprach er gutmütig, „aber unsere Leute waren doch ganz anders stark.“
Nun konnte der Bauer endlich erleichtert den Berg hinunter nach Hause laufen.
Viele Jahre lang hatte er die gemachten Schuhe vom Had getragen, da ging er eines Tages auf ein Begräbnis. Da er es sehr eilig hatte, hatte er das Verbot vom Had vollkommen vergessen. Als er nun den Boden des Friedhofs betreten hatte, begannen sich die Schuhe aufzulösen und als er wieder heimkehrte, hingen ihm die Fetzen von seinen Füßen. Die Worte des Had hatten sich erfüllt.
Die Salige Frau im Rosental
Zu einem Großbauern im Rosental kam vor langer Zeit täglich ein Salaweib, wie hier die Saligen auch genannt wurden. Es half fleißig bei der Arbeit mit und ging abends in eine Kammer, wo es sich ins Bett schlafen legte. Eines Morgens war die Bäuerin früher wach und ging in das Zimmer, wo die Salige noch schlummerte. Da sah die Frau nun die wunderschönen langen, blonden Haare der Wilden Frau und konnte gar nicht ihre Augen davon lassen. Endlich wandte sie sich doch ab und wollte an die Arbeit gehen, da überlegte sie es sich doch noch anders und ging zu der Schlafenden, um die
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