Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
werden dich foltern lassen.“
„Ich bin ein wehrloser Knecht“, erwiderte Hubert, „wenn es Euch ritterlich erscheint, mich zu peinigen, tut es – meine Herren würden es mit ihren Gefangenen nicht tun. Aus meinem Mund werdet Ihr den Laut des Schmerzes, aber keine Silbe des Verrats hören.“
„Wir werden es auf eine Probe ankommen lassen!“, sprach der Oberste. „Ich frage dich zum letzten Mal: Wie steht es auf der Burg?“
„So gut wie es nur auf einer belagerten Burg stehen kann“, sprach Hubert. „Wir können unsere Mauern dreifach Mann an Mann umstellen, der Mundvorrat an Fleisch und Brot reicht noch für ein Jahr. In unseren Rüstkammern sind noch Schwerter und Streitäxte genug, die Burg ist überall gleich fest und – wie Ihr wisst – von einem tiefen Teich, hohen Felsen und dicken Mauern umgeben.“
„Wir wissen, dass ein geheimer Gang aus dem Schloss ins Gebirge führt. Wo ist der zu finden?“, fragte ein Ritter.
„Da hat man euch belogen“, erwiderte Hubert.
„Ei, wie bist du denn aus der Burg gekommen?“
„Durch eine kleine Pforte wurde ich an einem Seil herabgelassen ins Gebüsch. Dort stand ein Kahn, mit dem bin ich über den Teich gefahren. Der Kahn wurde dann mit einem Seil wieder hinübergezogen.“
„Du lügst!“, schrie der Oberste. „Wir wissen, dass du durch einen unterirdischen Gang die Burg verlassen hast. Den verrate uns und wir schenken dir Leben und Freiheit.“
„Nein!“, entgegnete Hubert mutig.
„Führt ihn in die Schmiede!“, befahl nun der Oberste. Hubert wurde in die Schmiedewerkstätte gebracht, wo ein halbes Dutzend Lanzenknechte auf ihn wartete. Die Ritter waren gefolgt und umstellten den großen Amboss, der in der Mitte der Werkstätte stand.
Hubert wurde entkleidet und zu Boden geworfen.
Während die Knechte eine eiserne Klammer und einen Nagel glühend machten, rief jemand:
„Gebt ihm fünfzig Mark Silber und er wird sagen, was ihr wollt!“
„Wohlan, du unerschrockener Knecht“, begann aufs Neue ein Ritter, „du sollst uns nicht geizig schelten, fünfzig Mark Silber werden dir zugewogen, dann führe uns aufs Schloss.“
„Ich bin kein Verräter!“, sprach Hubert kurz.
Das Gebläse der Schmiede schnaubte, das die Funken sprühten, die Knechte schürten die Kohlen. Unterdessen sprach Ritter Odilo mit dem Befehlshaber.
Schon zogen die Knechte die glühenden Eisen aus dem Feuer und näherten sich dem armen Gesellen, der mit geschlossenen Augen und ausgestreckten Armen am Boden lag. Da trat Ritter Odilo heran und gebot ihnen Halt.
„Steh auf!“, befahl er dem Gefangenen. „Du bist arm und willst die Bärbi heiraten. Wir geben dir viel Geld – aber führe uns in die Burg!“
Lange stand Hubert sprachlos – er blickte bald auf das Feuer, bald auf die rußige Decke der Schmiede. Dann sank er mit einem lauten „Nein!“ auf die Knie und hielt seine fiebernde Stirn an den Amboss.
„Führt ihn ins Freie, gebt ihm einen Becher Wein und seine Kleider, dann führt ihn zu mir!“, befahl Ritter Odilo.
Hierauf wandte er sich an den Befehlshaber und flüsterte ihm ins Ohr:
„Die Burg ist unser, nur eine Probe mehr und er gibt nach.“
Die frische Luft hatte den Burschen bald gestärkt. Er saß ruhig im Schatten eines Baumes, bewacht von den Knechten, und dachte an Bärbchen und an seine Herren.
Nach einer Weile trat Ritter Odilo an ihn heran und befahl ihm, ihm zu folgen.
Begleitet von einigen Bewaffneten gingen sie dem nahen Walde zu.
Dort stand Bärbi mit Stricken an einen Baum gefesselt, die Augen mit einem weißen Tuch verbunden, vor ihr sechs Armbrustschützen mit eingelegten Pfeilen und straff gespannten Sehnen.
„Wenn du uns nicht in die Burg führst, wird das Mädchen erschossen!“
Mit Angst und Entsetzen vernahm Hubert diese furchtbaren Worte.
„O Gott, was soll ich tun!“, rief er aus. „Ich muss zum Verräter werden, denn sonst wird Bärbi getötet.“
„Sage uns nun, wann wirst du uns die Burg öffnen?“
„Heute Nacht“, sprach Hubert, „was Böses geschehen soll, muss schnell geschehen.“
„Hubert, Hubert!“, rief da plötzlich eine weibliche Stimme, und Bärbchen drängte sich durch die Soldaten und stürzte leichenblass auf Hubert zu.
„Du bist gerettet, Bärbchen, und frei!“, sprach ruhig der Jüngling.
„Hubert, um Gottes willen, was willst du tun?“
„Lass das Fragen, ich kann nicht anders“, entgegnete er.
Am Nachmittag führte Hubert dreihundert königliche Krieger in den Wald zur
Weitere Kostenlose Bücher