Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Flammen und das Gepolter der einstürzenden Mauern mischte sich der Lärm der zechenden Soldaten.
Ein Teil der Söldner und Knechte der Tempelritter war im allgemeinen Tumult entwichen.
Hubert stand mit verstörter Miene auf dem Wall an der schroffsten Seite des Schlosses und sah betäubt und starr dem entsetzlichen Schauspiel zu.
Da nahte Ritter Odilo und führte das blasse Mädchen herbei, das mit seinem wild aufgelösten Haar und scheuen Blick einer Wahnsinnigen glich.
„Du hast dein Wort eingelöst, Hubert!“, rief der Ritter. „Nun sollst du auch deinen Lohn erhalten.“
Der Jüngling trat nun auf das Mädchen zu und stammelte: „Ich konnte nicht anders.“
„Weh dir und mir!“, schrie das Mädchen. „Du hast deinen Schwur gebrochen, du bist zum Verräter geworden! Du allein bist schuld an dem Tod der vielen braven Männer! Wir müssen deine furchtbare Tat mit unserem Tod sühnen!“
Und mit der Kraft des Wahnsinns erfasste es Hubert und stürzte sich mit ihm in die grausige Tiefe.
Jahrhunderte sind vergangen. Die Halle aber, wo Ströme des edlen, unschuldigen Blutes geflossen sind, heißt noch immer die „Bluthalle“. Dunkle, schwarzrote Flecken an den Wänden und auf dem Boden erinnern an jenes Blutbad, dessen Spuren keine Zeit und kein Wasser des Himmels wegzuwaschen imstande sind. Die gespenstischen Gestalten der gefallenen Ritter zogen seitdem immer wieder zur mitternächtlichen Stunde durch die Halle.
Als einmal ein neuer Besitzer des Schlosses die Wände in der Halle tünchen und die Blutspuren auf dem Fußboden tilgen ließ, erschien der Gespensterzug zum letzten Male unter Kampfgetümmel und Schlachtenruf. Und am andern Morgen waren die alten Blutspuren deutlicher zu sehen als je zuvor. Seit der Zeit wagt niemand, die Flecken der Bluthalle zu tilgen.
Die Räuber auf der Hohen Salve
Die Hohe und die Kleine Salve sind die Berghäupter eines fast isolierten Gebirgsstockes zwischen dem Brixental, dem Leukental und dem Sölland und ein herrlicher Aussichtspunkt. Im Brixental lebte vor wirklich langer Zeit die Witwe eines Bauern, sie hieß Gertrud, mit ihrem einzigen Sohn, dem Johann. Sie tat alles für ihren Buben und versuchte ihn zu einem anständigen jungen Menschen zu erziehen. Doch irgendwie half alles nichts, erst begann er nur zu trinken, dann fing er an kleine Diebstähle zu machen, um sich den teuren Alkohol finanzieren zu können. Er fiel von einem Verbrechen in das andere und wurde letztendlich Räuber und Mörder.
Viele Nächte lag seine Mutter im Bett und brachte vor Kummer kein Auge zu, sie betete zu Gott, aber auch das schien nicht zu helfen. Schließlich sammelte er eine Bande von sieben gleich gesinnten, liederlichen Burschen um sich und machte sich mit ihnen einen gefürchteten Namen. Seine Mutter weinte nun Tag und Nacht über ihren Sohn, der sich mit seinen Raubgenossen in den Wäldern der Hohen Salve herumtrieb, in denen sie sich sichere Schlupfwinkel gesucht hatten.
Nachdem die Mutter lang genug gebetet hatte, machte sie sich auf, ihren entsetzlichen Sohn zu suchen, um ihn nochmals zu bitten sein abscheuliches Leben aufzugeben. Und mit dem Gespür einer Mutter fand sie auch ihren Johann, er hatte sich nahe dem Gipfel der Hohen Salve versteckt.
„Geh Bua, ich bitte dich, was tust du denn? Komm doch zu Sinnen und werde wieder zu dem Menschen, der du einmal warst! Tief in dir drinnen bist du kein schlechter Mensch nit.“
„Was will die Hur’ von mir?“, fragte er eisig seine Kumpanen.
„Ich bitte dich bei meinem Leben, kehre um und werde ein rechtschaffener Mensch!“, beschwor ihn die Mutter mit einer unglaublichen Willenskraft, wie sie eben nur Mütter haben.
„Mir reicht’s mit der Narreten da, nehmt’s sie doch endlich mit und werft sie den Raben zum Fraß vor, so dass ich mir das Gesumse nicht länger anhören muss. Und – ab da“, und er machte eine lässige Handbewegung.
Seine Männer nahmen nun seine alte Mutter und führten sie in den Wald, aber keiner von ihnen brachte es fertig ihr auch nur ein Haar zu krümmen. Im unwegsamsten Gelände ließen sie sie einfach zurück und ein jeder ging seinen eigenen Weg. Die Mutter aber fiel auf der Stelle, wohin man sie gebracht hatte, auf ihre Knie nieder und weinte und betete die ganze Nacht zu Gott und dem heiligen Johannes, dem Namenspatron ihres Sohnes. Ihr Sohn aber schlief bereits in seinem Versteck auf dem Gipfel der Salve, und wie seine Mutter immer noch am Beten war, da hatte er einen
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