Die schönsten Sagen Österreichs (German Edition)
Riese Erla hat dieses gigantische Profil in den Berg gehauen, um für alle Zeit eine Erinnerung an seine Freundin namens Blondchen zu errichten. Diese am Traunsee und weit darüber hinaus sehr bekannte Begebenheit wird seit Menschengedenken weitergegeben.
Über dem Traunsee hauste auf seinem Kogel der Riese Erla. Es fehlte ihm an nichts, er hatte die riesigen Wälder, er konnte jagen und fischen und er hatte eine geräumige Höhle, vor der er im Sommer ausgiebig und ungestört ruhen und im Winter bei Unwetter und Regen das größte Lagerfeuer anzünden konnte, um sich zu wärmen. Dennoch befiel ihn mit der Zeit eine gewisse Schwermut, die er sich nicht erklären konnte, da er doch alles hatte.
Als er einmal auf der Jagd nach einem Hirsch war, hörte er aus der Gegend um den Laudachsee einen lieblichen Gesang. Diese feine Melodie machte ihn blitzartig neugierig, denn so etwas hatte er noch nie zuvor gehört. Er ging diesem Gesang ganz leise nach und entdeckte am Ufer des Laudachsees eine kleine Wassernixe, die sich am Ufer sonnte. Ganz behutsam griff er mit seinen riesigen Händen nach ihr und begrüßte sie nach der Farbe ihrer Haare als Blondchen. Die beiden verstanden sich gleich prächtig, die Nixe erzählte ihm von ihrer Einsamkeit und er erkannte, dass auch ihn dieses Alleinsein so gequält hatte. Er führte sie zu seiner Höhle am Erlakogel und lud sie ein, von nun an gemeinsam mit ihm zu leben. Doch diese ungepflegte Junggesellen-Höhle mit all den herumliegenden Knochen gefiel ihr überhaupt nicht und sie bat den Riesen wieder zurück zu ihrem Laudachsee gehen zu können. Da sie aber so gut miteinander auskamen, schlug sie ihm ein Zusammenleben in einem Schloss am Traunsee vor. Weil Erla die Nixe wiedersehen wollte, versprach er ihr, so schnell wie möglich ein Schloss zu errichten.
Noch am selben Abend nach dieser zauberhaften Begegnung riss er aus den Bergen rund um den Traunsee große Felsen aus den Wänden und warf sie ans andere Ufer oder wie Erla sagte, „ans andere Ort“ des Sees, denn die dortige Lage schien ihm für ein schönes Schloss ideal. Ganz früh am nächsten Morgen machte er sich auf zum Dachstein und weiter noch zum Untersberg, um die schönsten Marmorblöcke herbeizuschleppen, die er nur finden konnte. In der ganzen Umgebung riss er die prächtigsten und ältesten Bäume aus, um für das Dach und die Innenausstattung des Schlosses das edelste Baumaterial zu erhalten. Im Rauristal holte er Gold, um Türen und Fenster zu verzieren. Am dritten Tag wollte er mit dem Bau beginnen, doch gleich musste er erkennen, dass er als Riese viel zu ungeschickt für Maurerarbeiten war.
Daher wandte er sich an seinen Nachbarn, den Zwergenkönig Röthel, der mit seinem Volk in den Höhlen beim Röthelsee weit hinter Karbach wohnte. König Röthel sagte seine Hilfe zu und noch am selben Tag war das Zwergenvölkchen voll Begeisterung daran, das schönste Schloss zu errichten.
Wie Erla am Ufer sitzend, ein wenig müde nach allen diesen Vorbereitungen für die Baustelle, den Zwergen beim Errichten des Schlosses zusah, betrachtete er sein Spiegelbild im Wasser des Traunsees, das er zuvor noch nie beachtet hatte. Da bemerkte er seine ungepflegten und zerzausten Haare, seinen wallenden Bart und seine einfache Kleidung aus Fellen. Sein Erscheinungsbild war ihm unangenehm und er erschien sich nicht standesgemäß, um mit der eleganten Nixe befreundet zu sein.
Als er dann noch die Baustelle des neuen Schlosses kurz vor der Fertigstellung besichtigen wollte, musste er feststellen, dass es das Zwergenvolk zu klein gebaut hatte und er mit seiner Körpergröße gar nicht durch die Tür passte.
In der nun aufkommenden Verzweiflung über seine Gestalt und sein Auftreten wandte sich Erla an die Hexe Kranawitha, die auf dem Feuerkogel lebte. Sie verzauberte den Riesen, gab ihm die Körpergröße der Menschen und ein ritterhaftes Auftreten, wie es sich für einen vornehmen Schlossbesitzer am Traunsee gehörte.
Nun konnte Erla sein Blondchen zur Hochzeit in sein Schloss bitten, alle Riesen und Zwerge aus der Nachbarschaft, die an der Vorbereitung dieses Festes mitgeholfen hatten, feierten eine Woche lang ein berauschendes Fest, wie es am Traunsee noch nie zuvor stattgefunden hatte.
Doch nach diesem großartigen Fest machte Blondchen Erla darauf aufmerksam, dass Nixenglück nur einen Sommer lang währen würde. Erla wollte dies nicht wahrhaben, doch als nach einem unendlich glücklichen Sommer das erste Laub im Herbst
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