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Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Titel: Die schoensten Weihnachtsgeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gehen und uns Tollatschen zu braten? Recht fett?«
    »Jetzt –?« fragte ich verblüfft.
    »Jetzt«, sagte er. »Natürlich, wenn du zu müde bist …«
    »Nein«, sagte ich, »deswegen nicht. Aber bist du überzeugt, Onkel Hans, daß es für Tante Anna eine angenehme Überraschung sein würde?«
    »Für Änne –? Die angenehmste von der Welt! Gewissermaßen ein Genuß. Sie müssen direkt in Fett schwimmen, spare nicht das Fett, Mimi! Und …, sagen wir, um zwölf Uhr dreißig klopfst du bei uns – mit den Tollatschen. Es ist wirklich reizend von dir, Kind, daß du mir aus der Verlegenheit helfen willst.« Damit drückte er mir die Hände mit ganz ungewohnter Wärme und verschwand die Treppe hinauf.
    Ich stand auf der Diele und starrte ihm nach. Hätte ich irgendeinen heimlichen Weg zu Tante Anna gewußt, ich hätte sie trotz aller »Überraschung« doch lieber erst einmal befragt. Aber die lag sicher schon todmüde in ihrem Bett. So ging ich, über die Schrulligkeit der Männer seufzend, in die Küche.
    In der Küche roch es, trotz der späten Stunde, angenehm würzig, als sei eben erst frisch gebraten worden. Im Herd brannte ein Feuer. Ein alle Schrullen vorausahnender Jemand hatte einen großen Steintopf mit Blutwurst bereitgestellt, dazu süße Mandeln, Rosinen, Bratfett … Während ich die Blutwurst gut mit Rosinenund Mandeln durchknetete und die Klöße dann in die Pfanne legte, wurde mir immer rätselhafter und wunderlicher zumute. Tollatschen, das ist eben süße Blutwurst mit Rosinen und Mandeln gebraten, sind – sparsam genossen – ein recht schönes Schlachteessen. Aber sie sich in der Weihnachtsnacht eine halbe Stunde nach Mitternacht ins Schlafzimmer zu bestellen – das schien mir doch eine Schrulle über alle Schrullen. Und doch mußte es richtig sein, mußte es seine ganz natürliche Bewandtnis damit haben, denn wie sonst hätten hier auf dem Tisch der ordentlichen Gutsküche Wursttopf, Rosinen und Mandeln sich ein Stelldichein geben können –?
    Aus der Diele unten gongte es tief und lang nachhallend halb, als ich mit meinem Tollatschentablett vor der Tür des Schlafzimmers stand. Ich wartete, bis auch der letzte Ton völlig verhallt war, dann klopfte ich zaghaft. Keine Antwort. Doch schien es drinnen hastig zu flüstern, verstohlen zu tuscheln, heimlich zu zischeln. Noch ein Klopfen, kräftiger schon – und die verschlafene Stimme des Onkels: »Wer ist denn da?«
    »Ich!« rief ich. »Du weißt doch …«
    »Was weiß ich? Daß jetzt Nacht ist und ich schlafen will!«
    »Aber Onkel –!« rief ich, schon verzweifelt und den Tränen nahe. »Die Tollatschen, du weißt doch –!«
    »Tollatschen!« schrie der Onkel wütend. »Jetzt Tollatschen –?«
    Und Tantes Stimme: »Aber komm doch rein! Was sind denn das für Tollatschen?«
    Mir ist wie zwischen Schlaf und Wachen, wie halb im Traume befangen. Gedankenlos stoße ich die Tür zum Schlafzimmer auf, im Schein einer kümmerlichen Nachttischlampe sehe ich den Onkel verstört im Bett sitzen, halb verschlafen, halb wütend. Die Tante aber hat den Kopf auf einen Arm gestützt und sieht mir blinzelnd entgegen. »Was in aller Welt zu dieser Stunde …«, flüstert sie.
    »Die Tollatschen …«, antworte ich, ebenso flüsternd. Dichter und dichter wird das Geheimnis, verworrener. Ich hier mit meinem lächerlichen Tablett in Händen, bestimmt wache ich gleich auf, und Rieke ruft vor der Tür, daß der Krug mit warmem Wasser bereitsteht. »Zeigen Sie mal her«, sagt der Onkel, der richtige Onkel Hans Lorenz, und ganz unrichtig, aber wie es im Traum eben wieder ganz richtig ist, redet er mich mit Sie an. »Wahr haftig Tollatschen! Was sagst du, Änne?«
    »Dann wollen wir sie also essen, Hans«, sagt meine Tante plötzlich mit ganz heller Stimme. »Es ist wirklich furchtbar nett von dir …«
    »Natürlich ist es furchtbar liebenswürdig von Ihnen«, brummt der Onkel. (Wieder Sie!) »Sie sind doch nicht etwa fett –?«
    »Aber du sagtest doch, Onkel!« flüstere ich verzweifelt den Spuk an. Und ich teile Teller und Messer und Gabeln aus. Und der Onkel sitzt, die Knie angezogen, den Teller vor sich, im Bett und brabbelt leise murrend vor sich hin, und die Tante stochert mit der Gabel.
    »Nehmen Sie doch Platz«, sagt der Traumonkel verbindlich. »Wo Sie sich solche Mühe gegeben haben!«
    Ich kämpfe mit den Tränen, aber gehorsam setze ich mich und starre vor mich hin. »Verdammt fett«, höre ich den Onkel halblaut sagen. »Kriegst du’s runter,

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