Die schoensten Weihnachtsgeschichten
haben!«
Sie gab mir einen Kuß auf den Mund und sagte: »Schau nicht gelangweilt drein, Max. Geh ein bißchen an die frische Luft und laß dich durchfrieren!«
Das tat ich denn auch, aber es dauerte eine ganzeWeile, bis die Winterkälte das Gefühl von Karlas Kuß auf meinen Lippen gelöscht hatte. Es war richtig, als säße dort etwas Lebendiges, das einen bis ins Herz hinein warm machte.
Als ich nach einer Stunde ziellosen Herumschlenderns durch das Dorf wieder nach Haus kam, schlief der Kantor Friedemann immer noch und war die Weihnachtsstube immer noch gesperrt. Aber oben war der August dabei, die Mücke anzuziehen, und er hatte ihr etwas ganz Besonderes versprochen, eine Überraschung, draußen im Walde vorm Dorf, um ihr das Warten auf die Bescherung zu erleichtern.
Ich durfte mit den beiden gehen, wir traten hinaus in die schon tiefer sinkende Dämmerung und gingen durch den hohen losen Schnee zwischen Gärten, dem dunkel schweigenden Waldrand zu. Es hatte aufgehört zu schneien, langsam erschien ein Stern nach dem anderen am Himmel. Der August Böök kannte sie alle bei Namen und nannte sie der Mücke mit derselben stillen Feierlichkeit, wie der Kantor Friedemann seine fremdländischen Ortsnamen Tananarivo und Buenos Aires genannt hatte: Wega und Deneb, Beteigeuze und Aldebaran. Und die Mücke wurde es nicht müde, empor zu sehen und sich die Namen immer wieder nennen zu lassen.
Dann löschten die Wipfel des Hochwaldes die Sterne aus, und wir gingen im tiefen Dämmern. Nur der Schnee leuchtete geheimnisvoll. Eine Weile hörten wir noch die Abendgeräusche des Dorfes mit Eimerklappern undraschen Rufen, mit dem Schnipp-Schnapp einer Häckselmaschine. Dann plötzlich war alles still um uns, so still, daß sogar der Mücke Mäulchen stehenblieb. Ihre Finger schlossen sich ganz fest um meine, ganz leise knirschte der Schnee unter unseren Schuhen, sonst nichts.
Als wir ein Weilchen so gegangen waren, bat uns der August, stille zu stehen und zu warten. Er verschwand, als habe er sich aufgelöst in Schnee, Dunkelheit und Wald. Ich nahm die Mücke auf meinen Arm, ihr Gesichtchen lehnte an dem meinen, und kitzelnd fragte sie mich ins Ohr, ob ich wohl wisse, was das für eine Überraschung sein würde? Aber ich konnte es ihr auch nicht sagen.
Dann plötzlich war der August wieder bei uns. Ich mußte die Mücke weitertragen, aber so, daß ihr Gesicht zurück sah, und so stiegen wir einen ziemlich steilen Hügel hinauf.
»Wohin führen Sie uns denn?« fragte ich schließlich ziemlich keuchend.
»Zum Hasen-Weihnachten«, antwortete August, es klang aber ganz weit weg.
»Machen Sie doch keine Witze, Böök!« rief ich. »Die Mücke ängstigt sich ja!«
Aber die Mücke ängstigte sich gar nicht, sondern es war die Vorfreude, die ihr Herz pochen machte. Und jetzt rief sie laut: »Oh, sieh doch, Papa, sieh doch: ein Weihnachtsbaum!«
Und auch ich sah, und auch ich fand es schön!
Denn nun waren wir, auf der Höhe des Hügels, ausdem dunkeln Hochwald getreten. Die andere Seite des Hügels hinab lief eine Tannenschonung, alles junge Bäumchen, und einen von ihnen, der ein wenig größer war als die anderen und der ein wenig freier stand, hatte der August Böök, wohl am Nachmittag schon, von oben bis unten mit Kerzen besteckt, die er eben angezündet hatte.
Da stand der kleine Baum in der großen weiten Nacht und funkelte mit vielen freundlichen Lichtern. Die weißen Schneeflocken auf den Zweigen strahlten wie Silber, kein Lüftchen regte sich in dem tiefen Schweigen. Unbewegt brannten die kleinen Flammen empor zum großen dunklen Gewölbe der Nacht, an dem tausend andere kleine Funkellichter brannten.
»Das haben Sie aber schön gemacht, Herr Böök!« rief ich. Und gleich hinterdrein: »Wie schade, daß die Karla nicht dabei ist. Die hätte das sehen müssen!«
»Hat das denn der Onkel Böök gemacht?« fragte die Mücke gleich. »Ist das nicht das Hasen-Weihnachten?«
Und der alte Weltenbummler Böök sagte: »Sie können ja noch einmal heute abend mit Ihrer Frau hinausgehen.« Und zur Mücke: »Natürlich ist das der Weihnachtsbaum für die Hasen, Mücke. – Jetzt müssen wir aber wieder gehen, sonst kommen die Häschen nicht.«
»Einen Augenblick noch!« baten Tochter und Vater.
So standen wir denn noch ein Weilchen und sahen die Waldlichter brennen. Ich dachte daran, daß sie jetzt wohl auch im großen Speisesaal von Hutaps Palasthotel die Kerzen am Weihnachtsbaum angebrannt hatten und daß sie da
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