Die Schöpfungsmaschine
Schatten eines Kraterrandes oder eines Felsbrockens das öde Bild. Über der eintönigen Horizontlinie funkelten Millionen kleiner Diamanten auf dem Hintergrund samtener Unendlichkeit. Joliot-Curie war mit Sicherheit die einsamste menschliche Ansiedlung im ganzen Universum. Der Körper des Mondes selbst schirmte die riesigen Radioteleskope von der elektronischen Katzenmusik ab, die die Erde ständig abstrahlte. Hier konnte man den geflüsterten Geheimnissen des Kosmos lauschen, ungehindert von einer Atmosphäre und von gewichtsbedingten Verzerrungen, mit denen irdische Instrumente immer zu kämpfen hatten. Hier oben gab es Fernrohre, die bis an den Rand des sichtbaren Universums reichten. Das Joliot-Curie-Observatorium hatte einen sehr entlegenen Standort; es war isoliert, aber es war frei. Ein vorgeschobener Beobachtungsposten der ungehinderten Wissenschaft, die sich hier ihre Grenzen selber setzen konnte.
Auf die Wand neben dem Sichtfenster fiel ein Schatten. Zimmermann drehte sich um und stand Gus Craymer gegenüber, dem Produktionsassistenten von Unendlicher Horizont. So hieß der Dokumentarfilm, der hier entstand. Craymer sah an dem Professor vorbei, musterte die Umgebung und verzog das Gesicht.
„Wie kommt es, dass ihr Burschen hier oben nicht durchdreht?“ fragte er. Zimmermann folgte seinem Blick, dann antwortete er ihm mit einem angedeuteten Lächeln.
„Oh, Sie würden überrascht sein, Mr. Craymer. Die Ruhe und die Einsamkeit können sehr stimulierend sein. Es kommt ganz darauf an, was Sie sehen, wenn Sie hier hinausschauen, was Ihnen der Anblick bedeutet. Ich frage mich manchmal, wieso ihr auf der Erde nicht alle durchdreht.“
„Sie sehen Sterne, hm?“ Craymer grinste. „Im wahrsten Sinne des Wortes.“ Mit einem Kopfnicken wies er auf die andere Seite des Raumes. „Da drüben gibt’s Kaffee, wenn Sie einen mögen.“ Zimmermann faltete sein Taschentuch und schob es in die Brusttasche zurück.
„Vielen Dank, nein. Wenn wir hier ganz fertig sind, werde ich in aller Ruhe einen trinken. Wie lange wird es noch dauern?“
„Tja, wir haben noch einige Außenaufnahmen zu machen, wenn die Sonne richtig steht; das wird gleich soweit sein. Wir machen ein paar Nahaufnahmen von Instrumenten, die wollen wir mit dem Kommentar unterlegen, den wir gestern aufgenommen haben. Moment mal, ich will eben nachsehen, wann Sie noch einmal dran sind … Ja, genau, es gibt nur noch eine Einstellung, für die wir Sie brauchen. Das ist eine Neuaufnahme für den Anfang von Folge fünf. Sie sprechen da über die Strahlung von Schwarzen Löchern. Das drehen wir jetzt gleich.“
„Ah ja, sehr schön.“
Craymer schloss sein Notizheft und betrachtete gemeinsam mit Zimmermann das Durcheinander im Zimmer.
„Ich schätze, dass Sie froh sind, wenn Sie endlich wieder in Ruhe an Ihre Arbeit gehen können, ohne diesen Trubel der letzten Tage“, sagte er, „ich möchte Ihnen im Namen des ganzen Teams für Ihre Geduld und die gute Zusammenarbeit danken.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Mr. Craymer“, erwiderte Zimmermann, „aber ich kann Ihnen sagen, dass es auch mir Spaß gemacht hat. Die Öffentlichkeit hat das alles hier finanziert, einschließlich meines Gehaltes; daher hat sie ein Recht darauf, dass sie darüber informiert wird, was wir hier tun und warum wir es tun. Außerdem ist es die freie Wissenschaft wert, dass man sich alle Mühe macht, sie dem Verständnis der Allgemeinheit näherzubringen. Denken Sie nicht auch so?“
Craymer lächelte resigniert, als er sich an die Probleme erinnerte, die sie vor sechs Monaten mit übereifrigen Bürokraten in Washington hatten. Sie hatten versucht einen Dokumentarfilm über Weltraumnavigation und Antriebssysteme zu machen. Schließlich mussten sie das Projekt aufgeben, denn was der Schere des Zensors entkommen war, reichte nicht einmal mehr für ein Schulfernsehprogramm für das zweite Schuljahr.
„Ich wünschte, dass mehr Menschen so dächten. Daheim schnappen sie allmählich über“, sagte er.
„Das kann ich mir vorstellen“, antwortete Zimmermann, während er beiseite trat, um einen Techniker vorbeizulassen. Eine Stimme aus dem Hintergrund wies den Beleuchtern ihre Plätze an.
Sie gingen zu dem Platz hinüber, wo die nächste Szene abgedreht werden sollte. Craymer fragte: „Wie lange sind Sie jetzt hier oben?“
„Oh, ungefähr achtzehn Monate, glaube ich. Aber hin und wieder fliege ich zur Erde hinunter. Es mag seltsam klingen, aber ich vermisse kaum
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