Die Schöpfungsmaschine
Strahlung aus der Nachbarschaft eines Schwarzen Loches im All auf. Sie analysieren hier die Informationen, die die Computer aus dieser Strahlung ermittelt haben. Könnten Sie bitte für uns kurz zusammenfassen, was Sie herausgefunden haben und welche neuen Fragen sich Ihnen stellen?“
Zimmermann erlebte diese Szene schon zum dritten Mal.
„Der Empfänger ist zur Zeit auf ein Doppelsystem eingestellt, das wir als Cygnus X1 bezeichnen“, antwortete er. „Ein Doppelsystem ergibt sich dann, wenn zwei Sterne sehr dicht beieinander stehen und um ein gemeinsames Zentrum kreisen, das durch den wechselseitigen Einfluss ihrer Schwerkraft entsteht. Die meisten Doppelsysteme bestehen aus zwei normalen Sternen, die jeder für sich der bekannten Klassifizierung entsprechen. Einige Doppelsysteme enthalten jedoch nur einen normalen, sichtbaren Stern, der zweite Himmelskörper ist unsichtbar. Dieser sogenannte dunkle Begleiter strahlt kein Licht ab, aber man kann ihn an dem Schwerkrafteinfluss erkennen, den er auf den sichtbaren Stern hat. In vielen Fällen handelt es sich um Neutronensterne, von denen schon früher in dieser Sendung die Rede war. Es gibt jedoch einige gesicherte Fälle, in denen die Entwicklung des Sterns bereits über den Punkt hinaus fortgeschritten ist, an dem sich ein Neutronenstern bildet. Es handelt sich um die äußerste Möglichkeit des Zerfalls der Materie, um ein Schwarzes Loch. Genau dafür ist Cygnus X1 ein Beispiel.“
„Mit anderen Worten, es handelt sich um einen normalen Stern und ein Schwarzes Loch, die einander in einem stabilen System umkreisen?“ kommentierte Borel.
„Genauso ist es. Das System ist jedoch nicht auf Dauer stabil. Sehen Sie, die Anziehungskraft des Schwarzen Loches ist so stark, dass es Gaswolken von der Oberfläche des Sterns absaugt. Daher besteht das System eigentlich aus drei Teilen: dem sichtbaren Stern, dem Schwarzen Loch und einem Nebel von stellarem Material, das vom ersteren ins letztere fließt und beide wie eine Nabelschnur verbindet. Dieser gewaltige Strahl verläuft in einer Spirale auf das Schwarze Loch zu, da die Partikel, aus denen er besteht, Energie aufnehmen und sich gemäß dem Schwerkraftgefälle beschleunigen. Auf eine stark vereinfachte Weise kann man den Vorgang mit dem Badewasser vergleichen, das durch den Ausfluss abläuft.“ Er machte eine Pause, um Borel Gelegenheit zu einer nächsten Frage zu geben.
„Das klingt alles ganz einleuchtend. Aber Sie empfangen doch auch Informationen, die Sie sich nicht erklären können. Ist das richtig?“
„Ja, das stimmt“, antwortete Zimmermann. „Die Materie, die von dem sichtbaren Stern abgezogen wird, ist sehr heiß und daher in einem hoch ionisierten Zustand. Mit anderen Worten: Sie besteht aus hochgeladenen Partikeln. Geladene Partikel in Bewegung verursachen elektromagnetische Strahlung. Die Berechnungen ergeben, dass ein charakteristisches Spektrum von Breitband-Strahlung zu erwarten ist, bis hinein in den Röntgen-Bereich. Tatsächlich ist das Schwarze Loch von einem Strahlungshof umgeben. Eine genaue Analyse des Spektrums und der Energieverteilung hat jedoch Ergebnisse erbracht, die stark von der Theorie abweichen.“
Zimmermann trat zur Seite und deutete auf die Kontrolltafeln hinter ihm. „Hier sehen Sie die Ausrüstung, mit der wir die Untersuchungen vornahmen. Von hier aus können wir unsere Empfangseinrichtungen überwachen und steuern, die Computer füttern und die Ergebnisse ablesen.
Die Messungen und Beobachtungen vieler Jahre haben uns eine Fülle von Erkenntnissen über mehrere Schwarzes-Loch-Doppelsterne gebracht. Mit den gewonnenen Daten konnten wir ein sehr genaues mathematisches Modell für das zu erwartende Strahlungsmuster erstellen.“ Er trat noch weiter zurück und zeigte auf einen der Bildschirme im Kontrollpult. „Hier sehen Sie ein Bild des theoretischen Verteilungsmusters, das für Cygnus X1 errechnet wurde.“ Der Bildschirm zeigte eine grüne Wellenlinie, die von Formeln und Symbolen erläutert wurde. Die Linie stieg an und fiel ab in einer Serie von Hügeln, Tälern und Hochplateaus; sie ähnelte dem Querschnitt durch eine Bergkette.
„Das ist es also, was wir zu sehen erwarteten. Aber als wir die Daten analysierten, die wir tatsächlich von Cygnus X1 empfingen …“ – er drückte einen Knopf, und eine zweite, rote Linie zeigte sich –, „… stellten wir fest, dass sich bemerkenswerte Abweichungen ergaben.“ Der Bildschirm bestätigte seine Worte. Die
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