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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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Wohnung zu sehen war. Es
     gab zwei kurze Einstellungen, da war auch seine Freundin mit im Bild. Von der hatte sie nichts gewusst. Sie sah jung aus.
    Man konnte nicht behaupten, dass Sie an diesem Abend gut eingeschlafen wären. Sie lagen wach im Bett, unfähig, diverse Gedanken
     zu verdrängen, und begriffen irgendwann mit Sorge, da ein langer Arbeitstag auf sie wartete, dass bereits der Morgen graute.
    Ach, Sie haben doch alles richtig gemacht: den Freund verlassen, als die Liebe verklungen war, einen anderen Mann begehrt,
     den Sie nach allen Lehren der Verstellungskunst verführt haben. Und doch nimmt die Geschichte ein ungutes Ende. Leider schien
     er sich als zu kompliziert herausgestellt zu haben. Und das lag an Kairos, dem griechischen Gott des rechten Augenblicks,
     der selten nur verrät, ob die günstigen |58| Gelegenheiten, die er den Menschen schenkt, segensreich sind. Kairos hat Flügel an den Beinen. Dem Mythos nach, heißt es,
     er sei ungeheuer mächtig und unberechenbar, er fliege wie der Wind.
    Immer kommt es auf den bestmöglichen Zeitpunkt an, den es zu nutzen gilt: Ein zu später Angriff, und der Gegner hat bereits
     nachgerüstet; eine Mail, die im ersten Moment des Zorns versendet wird, bringt Unheil; in einem Augenblick zu reden, da Zuhören
     weitaus angebrachter wäre, ist sehr unklug. All das kann erlernt werden. Auch in einem kleinen Restaurant eine amouröse Gelegenheit
     zu ergreifen ist eine mühsam erlernte Fertigkeit, die sich mit Leichtigkeit tarnt. Doch bleibt sie, die Gelegenheit, immer
     ein Kind des Zufalls. Und dass die Gelegenheit, auch die genutzte, einem für immer Glück bringt, vermag niemand zu sagen.
     Sie setzt der Verstellungskunst bisweilen eine bittere Grenze.

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    |59| 9 VOR WEM MAN SICH HÜTEN SOLLTE
    B ereits zweimal wurden Sie dazu aufgefordert, in eine andere Person zu schlüpfen: in die Frau Anfang vierzig und den Mann,
     der die schonende Abwehr verliebter Frauen beherrscht. Das ist ein bewusst eingesetztes Stilmittel, um eine Eigenart der Verstellungskunst
     kenntlich zu machen: Wer sich verstellt, verhält sich wie der Meeresgott Proteus, der sich in einen Löwen, eine Schlange,
     einen Leoparden, einen Eber, in Wasser und in einen Baum verwandeln kann. Wer sich verstellt, vermag sich hineinzuversetzen
     in fremde Charaktere, in Begehrlichkeiten des Gegners, in ein anderes Geschlecht, in die Lebensläufe seiner Konkurrenten.
     Und er vermag, wenn die Not es verlangt, ihre Rolle sich anzueignen, einem Schauspieler gleich, der in seinem Schöpferrausch
     als Privatperson nicht mehr wiederzuerkennen ist.
    Die Verstellungskunst gleicht dem Lesen, wenn wir uns verführen lassen, der Liebe, wenn wir die Welt durch andere Augen zu
     sehen vermeinen.
    Allerhand Strategien haben wir bereits kennengelernt: Wir haben gesehen, wie man möglichst geschmeidig Verliebte auf Distanz
     hält; wie ein wahrhaft gebrochenes Antlitz simuliert werden kann; warum es weitaus sinnvoller sein kann, zu |60| schweigen, als zu reden; weshalb große Erregungen gedämpft werden müssen. Die glückliche Gelegenheit ergreifen wir gern, unsere
     Affekte bleiben dabei gezügelt, unsere Absichten stets verborgen. Auch wenn wir feststellen mussten, dass der böse Zufall
     unsere Pläne immer wieder auch durchkreuzen kann.
    Sowohl das Privat- als auch das Berufsleben hatten wir im Blick, da sich mittlerweile beide Ebenen vermischen. Dank Handy
     und E-Mail sind wir jederzeit verfügbar für unseren Arbeitgeber, und manche haben diese Medien derart verinnerlicht, dass
     sie auch am Wochenende ihre geschäftlichen Mails lesen und, mit nur unterdrücktem Ärger, den dringenden Anruf ihres Chefs
     entgegennehmen oder eine seiner nicht weniger dringlichen SMS’ beantworten. Während der Arbeit wiederum sind wir jederzeit
     verfügbar für unsere Freunde, Ehepartner oder Eltern, die sich längst an die Entgrenzung von Freizeit und Arbeit gewöhnt haben:
     »Ich weiß, du hast zu tun, mein Sohn, aber sag mal, kommst du am Wochenende zum Essen?« – »Schatz, kannst du bitte nach der
     Arbeit noch frisches Pesto besorgen? Danke!«
    Nur angedeutet haben wir bislang, gegen wen wir uns zu wappnen haben, wenn wir uns verstellen. Wer kann uns besonders gefährlich
     werden? Naturgemäß die unmittelbaren Konkurrenten im Berufsleben, mit denen wir uns im lebhaften Wettstreit befinden, und
     unsere Nebenbuhler, wenn es eine Frau, einen Mann zu verführen gilt.
    Die Konkurrenten wollen uns stürzen,

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