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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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erfolgreich ist er auch mit seinen Bildern. Nicht die allererste Liga, aber sein großformatiges, düster-surreales
     Gemälde, das einen Ochsen am Strand zeigt, wird hier und da von Galeristen und Kritikern anerkennend erwähnt, wie Sie durch
     googlen herausgefunden haben.
    Beim zweiten Treffen wartet er bereits auf Sie, hilft Ihnen, während er einen kleinen Scherz macht, aus dem Mantel, bestellt,
     als Sie zustimmend nicken, zwei Aperitifs. Schönes Lokal, gut besucht, kannten Sie gar nicht, kleine Tische, über die man
     sich beugen kann, um Vertrauliches zu besprechen, |55| die Kellner sind besonders exaltiert italienisch, die Einrichtung nicht zu schick, fast ein wenig bäuerlich, was aber bewusst
     anachronistisch gemeint ist und deshalb gefällt.
    Sie stoßen an: auf den Abend. Sie sprechen über Ihre kraftraubende Arbeit, Sie verantworten nämlich gerade ein großes, die
     Modezeitschriftenwelt völlig revolutionierendes Relaunch, und wären da nicht die unfähigen Kollegen, würde alles viel rascher
     gehen.
    Er unterbricht Sie kurz, nicht unsouverän, da er Ihnen dabei ruhig in die Augen schaut und sagt, fast feierlich, Sie sähen
     wunderbar aus. Das gefällt Ihnen. Sie blicken kurz beschämt auf die Tischdecke, aber weder zu lange noch ablehnend, lenken
     das Gespräch dann, um nicht allzu eitel zu wirken, auf seine Malerei. Sie sagen, dass Sie sich sein berühmtes Ochsenbild im
     Internet angeschaut haben und dass es, es sei schwer, so etwas in Worte zu fassen, ja, aber wenn Sie es versuchen dürften,
     gut, also, dass es eine melancholische Kraft ausstrahle, von der man auf geradezu unheimliche Weise gebannt sei.
    Kurzum: Es wurde spät. Und nach dem Limoncello, den es frei Haus gab, da man sich an allerhand Speisen gelabt hatte und nicht
     müde wurde, sie auch wortreich gegenüber dem Personal zu loben, waren Sie sich sicher, die Gelegenheit ergreifen zu dürfen,
     streiften mit ihrem Schuh auf nicht unbeholfene Weise, nämlich wie aus Versehen, sein Bein, beugten sich über den Tisch, und
     den verbliebenen Gästen war das Schauspiel eines innigen, einer Fotografie würdigen Kusses vergönnt, der sich sehr in die
     Länge zog.
    |56| Dass der Maler sich zwei Tage nach einer anschließend geradezu rauschhaft verbrachten Nacht nicht wieder gemeldet hatte, beunruhigte
     Sie noch nicht. Der vermeintliche Rückzug gehört ja zum Spiel dazu. Erst nach Ablauf des dritten Tages, den Sie mit heftigen
     Wortwechseln in der Redaktion verbracht hatten, waren Sie besorgt und schrieben, nur ein wenig betrübt, denn Sie hatten gehofft,
     dass er sich zuerst melden würde, eine bewusst gut gelaunte SMS, die mit der Verheißung eines baldigen Treffens schloss.
    Er meldete sich erst am nächsten Nachmittag: »Gerne, aber im Moment wahnsinnig viel Stress, melde mich nächste Woche. Liebe
     Grüße!«
    Ein bisschen enttäuschend war das durchaus, das mussten Sie sich schon eingestehen, aber Sie erinnerten sich vage, dass er
     während des Abendessens von einer etwas schwierigen Phase in seiner Malerei sprach, sicherlich ging es ihm gerade nicht so
     gut. Kann man verstehen, haben Sie doch auch manchmal Tage, in denen Sie die Nase nicht aus dem Fenster stecken möchten. Er
     hat zwar alles in allem einen ausgeglichenen Eindruck hinterlassen, aber, wenn Sie sich recht erinnern, war da auch immer
     wieder etwas sehnsüchtig Gebrochenes in seinen Augen, was schwer zu beschreiben war. Deshalb beschlossen Sie erst nach einigen
     Tagen, sich mit einer weiteren SMS zu melden, auf die aber keine Antwort mehr erfolgte.
    Ihre beste Freundin erst, da Sie schlechter Stimmung waren, hatte Ihnen dann die Augen geöffnet. »Mensch!«, rief Sie am Telefon,
     »mach doch nicht dauernd denselben Fehler. |57| Der ist doch viel zu kompliziert für dich!« Das hatte, da es mit Verve ausgesprochen worden war, Eindruck auf Sie gemacht.
    Als einige Zeit später das Relaunch sich mühsam von einer entscheidenden Phase in die nächste schleppte, wurde hier und da
     in den Feuilletons das neue Buch ihres Ex-Freundes besprochen, bald schon war von einem »literarischen Überraschungserfolg«
     die Rede. Kurz darauf sahen Sie den dünnen Band, ein Vielschreiber war er ja nie gewesen, auf der Bestsellerliste. Platz 7!
     In einer Kultursendung am Abend, Sie wollten sich eigentlich von der Arbeit erholen, wurde ein homestoryhafter Beitrag über
     ihren Ex-Freund gesendet, der während eines ebenso wortreichen wie amüsanten Interviews in seiner

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