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Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen

Titel: Die schonende Abwehr verliebter Frauen oder Die Kunst der Verstellung - Soboczynski, A: Die schonende Abwehr verliebter Frauen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Soboczynski
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mit ihnen machen!
    Nach einer ersten, stammelnd vorgebrachten Entschuldigung des Auszubildenden, der übrigens tatsächlich mit seinen Eltern als
     Spätaussiedler aus Kasachstan in die Pfalz kam, bemerkten Sie nicht ohne Beunruhigung, dass auch etwas gekränkter Stolz sich
     in seinen unterwürfigen Blick mischte. Das hätten Sie nicht sagen dürfen, diese Kasachstan-Schafe-Sache, Sie sind mit Ihrem
     pädagogisch inspirierten Wutausbruch vielleicht einen kleinen Schritt zu weit gegangen. Denn Sie wissen, dass der Nachwuchs,
     den sie heranzüchten, teilhat an den meisterhaften Fähigkeiten eines überaus erfolgreichen Winzers. Irgendwann könnte dieser
     kleine, gar nicht so dumme Aufsteiger Ihnen noch gefährlich werden. |68| Deshalb sagen Sie nach zwei Tagen überaus großherzig, dass Sie sich im Ton vergriffen hätten, dass Sie im Großen und Ganzen
     sehr mit ihm zufrieden seien und dass er zum Winzertum Talent habe. Dass er aber, das sagen Sie nun halb scherzend, trotzdem
     das nächste Mal achtsamer mit den Flaschen umgehen solle. Dann zaubern Sie das Lächeln eines alle Übel der Welt verzeihenden
     Großvaters hervor und klopfen dem Auszubildenden auf die Schulter, der Ihnen jetzt mit noch größerer, da erneuerter Bewunderung
     zugeneigt ist.
    Ja, der Lehrling denkt nun sogar, dass der gekränkte Stolz, den er schmerzhaft empfand, als er von Ihnen gerügt wurde, ein
     wenig übertrieben war. Muss er auch immer mit so einer überreizten Empfindlichkeit durch die Welt laufen? Es sei doch alles
     in allem ein berechtigter Zorn gewesen, den Sie empfanden, sagt er sich nun, und nimmt sich vor, in Zukunft etwas aufmerksamer
     zu sein, wenn Sie Gäste empfangen.
    Dritte Regel, Entschuldigungen betreffend: Menschen, die selten in Verlegenheit geraten, sich entschuldigen zu müssen, steigern
     durch eine wohlgesetzte Entschuldigung ihr Ansehen. Eine Handlung im Nachhinein entschuldigend zu revidieren, zeugt bisweilen
     von Großmut. Vor allem, wenn Sie dabei den Eindruck hinterlassen, Ihre Entschuldigung sei eigentlich gar nicht notwendig gewesen.
     Ihre Entschuldigung erscheint so als ein generöses Entgegenkommen angesichts überspannter Ansprüche. Sie mögen andere verletzt
     haben. Doch die von Ihnen Verletzten haben fälschlicherweise nunmehr Ihnen gegenüber ein schlechtes Gewissen.

[ Menü ]
    |69| 11 HIN UND WIEDER VERLETZT WIRKEN
    V erletzt zu sein, eines Satzes wegen oder einer Tat, ist wenig nützlich. Verletzt zu wirken indes sehr. Denn kaum etwas bindet
     Menschen stärker an einen als ihr schlechtes Gewissen, das bewusst zu erzeugen von einer hohen Kunst zeugt.
    Als das Telefon klingelte, zögerte Stephan kurz, ob er drangehen sollte. Das Display zeigte keine Nummer an, die war unterdrückt
     worden, und so ahnte er bereits, dass seine Mutter am anderen Ende der Leitung darauf wartete, unterhalten zu werden. Er irrte
     sich nicht. Sie hörte sich an wie immer, sprach, indem sie ihre Ausführungen mit Ach-Jas und Was-soll-man-machen!-Ausrufen
     immer wieder unterbrach, also in einem leidvollen, von Anklage nicht ganz freiem, rheinischen Tonfall. Vater, ach ja, ihm
     gehe es gar nicht gut, sagte Mutter. Er sitze im Sessel und schweige. Es sei schlimmer als jemals zuvor. In allerdunkelster
     Geistesverfassung hocke er herum, nur manchmal, sagte sie, tapse er in die Küche, um sich mit einer Scheibe Käse oder einer
     Flasche Bier zu versorgen.
    Stephan ahnte, was nun unweigerlich folgte: die lange, bereits in mehreren Telefongesprächen entfaltete Geschichte von Vaters
     Frühpensionierung. Zuerst wurde Vaters stolzer |70| Aufstieg bei der Post erzählt, damals, in der guten alten Zeit, als sich die »Nachbarn noch untereinander grüßten«. Dann folgte
     der Bericht von der Abspaltung der Telekommunikationssparte vom Staatsunternehmen, wo Stephans Vater zwar noch einige Jahre
     eine aufgrund von Rationalisierungsmaßnahmen an sich nutzlos gewordene Verwaltungsstelle innehatte, bis man ihm mit deutlichen
     Worte nahelegte, einer Vorruhestandsregelung zuzustimmen, die nur mit wenigen finanziellen Nachteilen gegenüber einer weiteren
     Beschäftigung verbunden sei.
    »Du kennst ja Vater«, sagte Mutter, »der brütet hier vor sich hin«; sie mache sich Sorgen, er habe ja auch noch dieses Nierenleiden.
     Eigentlich müsse man gegen diese Frühpensionierung einmal gerichtlich vorgehen! Aber es helfe einem ja niemand.
    »Fahrt doch mal weg!«, sagte Stephan. »Ein paar Tage ans Meer oder in die Berge. Ihr

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