Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
Vom Netzwerk:
sind nicht klar. Wenn Sie auf meine persönliche Reaktion aus sind, ich habe kein Problem mit dem, was Sie getan haben. Ich sage Ihnen ganz offen, dass ich dasselbe empfinde wie bei Stuart und Gill und Rebecca – ich persönlich halte es für keine große Sache. Vielleicht hätte ich es ebenso gemacht. Sie sind einsam, sexuell aufgeheizt, es gibt Bräute, die Sie trösten wollen, Sie lassen es zu, und alle haben ihren Spaß dabei. Denen geht doch bestimmt auch einer ab. Ich meine, wir sprechen über Frauen, als ob sie nur benutzt oder ausgebeutet werden. Ich kann mich aufregen, echt aufregen, über diese Vorstellung, dass Männer um ein bisschen Sex betteln und die Frauen ihnen von ihrem Thron herab den Gefallen tun oder auch nicht. Als ob ihnen keiner abgeht.«

    Tony wandte den Kopf, als er hörte, wie Pam sich die Hände an den Kopf schlug, und merkte, dass Rebecca dasselbe tat. »Okay, okay, lasse ich die letzten Trümpfe einfach weg und bleibe bei der Karte, auf der Warum jetzt? steht.«
    »Gute Frage, Tony. Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich in Gang bringen. Vor ein paar Minuten wünschte ich mir noch, einen Co-Therapeuten zu haben, und dann kommen Sie und übernehmen den Job. Sie sind gut darin. Die Therapie hätte eine Karriere für Sie werden können. Mal sehen. Warum jetzt? Ich habe diese Frage so oft gestellt, aber es kann sein, dass sie mir heute zum ersten Mal gestellt wird. Zunächst denke ich, Sie haben alle Recht, wenn Sie sagen, der Grund sei nicht meine Abmachung mit Philip. Trotzdem kann ich die Möglichkeit nicht völlig ausschließen, denn es ist etwas dran an dieser Ich-Du-Beziehung. Um Philip zu zitieren, die Idee ›ist nicht ohne Wert‹.« Julius lächelte Philip an, der nicht zurücklächelte.
    Julius fuhr fort: »Ich bin der Meinung, der Mangel an Gegenseitigkeit in einer authentischen therapeutischen Beziehung ist tatsächlich ein Problem – eine verzwickte Frage. Dieses Problem anzugehen, ist zum Teil auch der Grund dafür, dass ich Philips Herausforderung angenommen habe.«
    Julius wollte eine Reaktion. Er hatte das Gefühl, zu lange gesprochen zu haben. Er wandte sich an Philip. »Was empfinden Sie bei dem, was ich bisher gesagt habe?«
    Philip drehte ruckartig den Kopf, aufgeschreckt durch Julius’ Frage. Nach einem Moment des Überlegens sagte er: »Man scheint sich hier ja allgemein einig zu sein, dass ich einer von denen bin, die viel enthüllen. Das stimmt nicht. Jemand in der Gruppe hat etwas über eine Erfahrung mit mir erzählt, und was ich offenbart habe, geschah bloß im Dienste der historischen Genauigkeit.«
    »Können Sie mir sagen, was das mit irgendwas zu tun hat?«, fragte Tony.
    »Stimmt«, sagte Stuart. »Von wegen Genauigkeit, Philip! Zunächst mal, fürs Protokoll, ich gehöre nicht zu denen, die
finden, dass Sie sich offenbaren. Aber in erster Linie wollte ich sagen, dass Ihre Antwort auch nicht annähernd trifft. Sie hat null zu tun mit Julius’ Frage nach Ihren Empfindungen.«
    Philip schien nicht gekränkt zu sein. »Gut. Okay, zurück zu Julius’ Frage – ich glaube, sie hat mich verwirrt, weil ich keine Empfindungen hatte. An dem, was er gesagt hat, war nichts, was eine emotionale Reaktion hervorgerufen hätte.«
    »Das ist zumindest relevant«, sagte Stuart. »Ihre vorige Antwort war völlig daneben.«
    »Ich habe Ihr Pseudodemenz-Spielchen so satt!« Pam klatschte sich wütend auf die Oberschenkel und spuckte Philip ihre Worte entgegen. »Und ich bin sauer, weil Sie sich weigern, mir einen Namen zu geben! Dass Sie mich ›jemand in der Gruppe‹ nennen, ist beleidigend und schwachsinnig.«
    »Mit Pseudodemenz meinen Sie, dass ich Beschränktheit vortäusche?«, fragte Philip, Pams funkelndem Blick ausweichend.
    »Gott sei Dank!«, sagte Bonnie und hob die Arme. »Endlich. Ihr beide nehmt euch zur Kenntnis, sprecht sogar miteinander.«
    Pam ignorierte Bonnies Bemerkung und wandte sich weiterhin an Philip. »Pseudodemenz ist ein Kompliment, verglichen mit der Alternative. Sie sagen, Sie könnten an Julius’ Äußerungen nichts finden, was eine Reaktion hervorgerufen hätte. Wie kann jemand keine Reaktionen auf Julius haben?« Pams Augen blitzten.
    »Zum Beispiel?«, fragte Philip. »Sie wissen ja offensichtlich, was ich empfinden müsste.«
    »Versuchen wir’s doch mal mit Dankbarkeit dafür, dass er Ihre gedankenlose und unsensible Frage ernst genommen hat. Versuchen wir’s mit Respekt, weil er sein Ich-Du-Versprechen gehalten hat. Oder wie

Weitere Kostenlose Bücher