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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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wenn Sie sich offenbaren.«
    Julius war bestürzt – eine so große Übereinstimmung war selten in der Gruppe. Aber er glaubte zu wissen, was vor sich ging. »Ich spüre große Betroffenheit wegen meiner Krankheit  – sehr viel Fürsorglichkeit, den Wunsch, mich nicht anzustrengen. Richtig?«
    »Vielleicht«, sagte Pam, »doch für mich ist da noch mehr – etwas in mir will nicht, dass Sie düstere Geheimnisse aus Ihrer Vergangenheit preisgeben.«
    Julius bemerkte, dass andere Zustimmung signalisierten, und sagte zu niemandem im Besonderen: »Was für ein Paradox. Seit ich auf diesem Gebiet arbeite, habe ich mir einen anhaltenden Beschwerdechor von Patienten darüber anhören müssen, dass Therapeuten zu distanziert seien und zu wenig aus ihrem persönlichen Leben mitteilten. Also sitze ich hier und bin kurz davor, genau das zu tun, und finde mich einer Einheitsfront gegenüber, die sagt: ›Das wollen wir nicht hören. Tun Sie das nicht.‹ Also was ist los?«
    Schweigen.
    »Sie wollen mich als makellos sehen?«, fragte Julius.
    Keiner antwortete.
    »Wir scheinen festzustecken, deshalb werde ich heute mal
störrisch sein, und dann schauen wir, was passiert. Meine Geschichte geht zurück auf Ereignisse nach dem Tod meiner Frau vor zehn Jahren. Ich hatte Miriam, meine Highschool-Liebe, geheiratet, als ich Medizin studierte, und vor zehn Jahren kam sie bei einem Autounfall in Mexiko ums Leben. Ich war am Boden zerstört. Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob ich mich jemals von diesem schrecklichen Vorfall erholt habe. Aber zu meiner Überraschung nahm mein Kummer eine bizarre Wendung : Ich erlebte ein ungeheures Aufwallen sexueller Energie. Damals wusste ich noch nicht, dass verstärkte Sexualität eine weit verbreitete Reaktion auf die Konfrontation mit dem Tod ist. Seither habe ich viele Trauernde gesehen, die von sexueller Energie überquellen. Ich habe mit Männern gesprochen, die katastrophale Herzinfarkte hatten und mir berichteten, sie hätten auf dem Weg in die Notaufnahme im Rettungswagen Sanitäterinnen betatscht. In meinem Schmerz wurde ich besessen von Sex, brauchte ihn – jede Menge –, und wenn Freundinnen von uns, verheiratete wie unverheiratete Frauen, mich zu trösten suchten, nutzte ich die Situation aus und schlief mit einigen von ihnen, darunter einer Verwandten von Miriam.«
    Die Gruppe war still. Alle fühlten sich unwohl und mieden jeden Blickkontakt; manche lauschten dem schrillen Zwitschern eines Finks, der vor dem Fenster im scharlachroten Laub eines japanischen Ahorns saß. In seinen vielen Jahren als Gruppenleiter hatte sich Julius hin und wieder gewünscht, einen Co-Therapeuten zu haben. Heute war so ein Tag.
    Schließlich zwängte Tony ein paar Worte heraus: »Und was ist aus diesen Freundschaften geworden?«
    »Die gingen auseinander, verflüchtigten sich allmählich. Im Laufe der Jahre sah ich einige der Frauen zufällig wieder, aber ich habe mit keiner je über das Vorgefallene gesprochen. Es war uns zu peinlich. Und wir schämten uns.«
    »Es tut mir Leid, Julius«, sagte Pam, »das mit Ihrer Frau tut mir Leid – ich wusste das gar nicht – und natürlich das . . . das mit diesen . . . Beziehungen.«

    »Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, meinte Bonnie. »Ich bin wirklich sehr verlegen.«
    »Sagen Sie mehr über diese Verlegenheit, Bonnie«, forderte Julius sie auf, der sich überlastet fühlte durch die Aufgabe, in der Gruppe sein eigener Therapeut zu sein.
    »Na ja, das hier ist etwas völlig Neues. Es ist das erste Mal, dass Sie sich so in diese Gruppe einbringen.«
    »Weiter. Empfindungen?«
    »Ich bin sehr angespannt. Ich glaube, es liegt daran, dass die Sache so unklar ist. Wenn einer von uns«, sie wedelte mit dem Arm, »der Gruppe ein Problem vorträgt, wissen wir, was zu tun ist – ich meine, wir machen uns gleich an die Arbeit, obwohl wir vielleicht nicht genau wissen, wie wir vorgehen sollen. Aber bei Ihnen, ich weiß nicht . . .«
    »Stimmt, unklar ist, warum Sie es uns erzählen«, sagte Tony und beugte sich vor, die Augen blinzelnd unter den buschigen Brauen. »Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, die ich von Ihnen gelernt habe. Sie kam erst letzte Woche wieder zur Sprache. Warum jetzt? Ist es deswegen, weil Sie mit Philip einen Handel abgeschlossen haben? Die meisten hier sagten nein dazu – der Handel ergibt keinen Sinn. Oder brauchen Sie Hilfe bei den Gefühlen, die von dem Vorfall geblieben sind? Ich meine, Ihre Gründe für diese Mitteilung

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