Die Schopenhauer-Kur
nach dem Zweck dieser Übung. Schopenhauer entgegnete, er würde das Goldstück an dem Tag den Armen spenden, an dem die Offiziere ein Gespräch führten, das sich nicht ausschließlich um ihre Pferde, Hunde oder Frauen drehe.
Über seinen scharfsinnigen Witz werden viele erzählt. Einmal stellte ihm einer der Speisenden eine Frage, auf die er schlicht antwortete: »Ich weiß es nicht.« Der junge Mann meinte: »Nun, ich dachte ein großer Philosoph weiß alles!« Schopenhauer erwiderte: »Nein, Wissen ist begrenzt, nur Dummheit scheint grenzenlos!« Wurde er von einer Frau oder über Frauen und Ehe befragt, so entlockte ihm das unweigerlich eine bissige Reaktion. Einmal war er gezwungen, die Gesellschaft einer sehr redseligen Dame zu erdulden, die ihm detailliert das Elend ihrer Ehe beschrieb. Er lauschte geduldig, doch als sie wissen wollte, ob er sie verstehe, entgegnete er: »Nein, aber ich verstehe Ihren Ehemann.« Ref 110
Bei einem anderen Wortwechsel wurde er gefragt, ob er je heiraten würde.
»Ich habe nicht die Absicht zu heiraten, da es mir nur Kummer bereiten würde.«
»Und warum würde Ihnen das Kummer bereiten?«
»Ich wäre eifersüchtig, weil meine Frau mich betrügen würde.«
»Warum sind Sie sich so sicher, daß Ihre Frau Sie betrügen würde?«
»Weil ich es verdienen würde.«
»Warum würden Sie das verdienen?«
»Weil ich geheiratet hätte.«
Er wusste auch Scharfes über Ärzte zu sagen, von denen er behauptete, sie hätten zwei Handschriften: eine kaum lesbare für Rezepte und eine klare und ordentliche für ihre Rechnungen.
Ein Schriftsteller, der den achtundfünfzigjährigen Schopenhauer 1846 beim Mittagessen aufsuchte, schilderte ihn wie folgt:
»Er war ein feingebauter und – nur nach etwas veraltetem Schnitt – stets feingekleideter, mittelalterlicher Mann mit kurzem Silberhaar . . ., meist vergnügt vor sich hinschauendem, ungemein verständigem, blaugesterntem Auge. ... Er zeigte aber gewöhnlich ein in sich gekehrtes und, wenn er sich äußerte, manchmal fast barockes Wesen, wodurch er der wohlfeilen Satire . . . täglich nicht geringen Stoff gab. Und so bildete dieser oft komisch-mürrische, aber eigentlich harmlose, gutmütige Tischgenosse das Stichblatt des Witzes unbedeutender Lebemänner, die ihn regelmäßig – allerdings in nicht arg gemeinter Weise – zum Besten hielten.« Ref 111
Nach dem Mittagessen machte Schopenhauer üblicherweise einen langen Spaziergang, bei dem er hörbare Gespräche mit sich selbst oder seinem Hund führte, die bei Kindern Hohngelächter auslösten. Die Abende verbrachte er lesend allein in seiner Wohnung, in der er nie Gäste empfing. Es gibt keinerlei Hinweise auf romantische Beziehungen während seiner Frankfurter Jahre, und 1831 schrieb er im Alter von dreiundvierzig in »Über mich«: »Das Wagniß mit einem kleinen Vermögen ohne Arbeit zu leben, kann nur im Cölibat durchgeführt werden.« Ref 112
Seine Mutter sah er nach ihrem Zerwürfnis im Jahr 1813 nie wieder, aber zwölf Jahre später begannen sie, bis zu ihrem Tod
1835 Briefe eher geschäftlichen Inhalts zu wechseln. Einmal, als er krank war, schickte sie ihm eine seltene persönliche Mitteilung : »Zwei Monat auf der Stube, und keinen Menschen gesehen, das ist nicht gut mein Sohn, und betrübt mich, der Mensch darf und soll sich nicht auf diese Weise isoliren.« Ref 113
Auch zwischen Arthur und seiner Schwester Adele fand ein gelegentlicher Briefwechsel statt, in dem sie immer wieder versuchte, sich ihm zu nähern, dabei jedoch ständig versicherte, sie würde nie Forderungen an ihn stellen. Aber er wich ihr stets aus. Adele, die nie heiratete, lebte in großer Verzweiflung. Als er ihr berichtete, er wolle aus Berlin fortziehen, um der Cholera zu entfliehen, schrieb sie, sie hätte gern die Cholera bekommen, weil die ihrem Elend ein Ende setzen würde. Arthur jedoch zog sich noch weiter zurück und weigerte sich standhaft, sich in ihr Leben und ihre Depression hineinziehen zu lassen. Nach Arthurs Auszug von zu Hause sahen sie sich 1840 nur einmal bei einem kurzen und unbefriedigenden Treffen. Adele starb neun Jahre später.
Sein ganzes Leben lang war Arthur von Geldsorgen geplagt. Seine Mutter hinterließ ihr kleines Vermögen Adele, bei deren Tod davon praktisch nichts mehr übrig war. Er versuchte vergeblich, eine Anstellung als Übersetzer zu finden, und erst in seinen allerletzten Jahren wurden seine Bücher rezensiert und verkauft.
Kurz gesagt, gab es
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