Die Schopenhauer-Kur
gehen ja inzwischen viel mehr Risiken ein. Finde ich toll«, sagte Pam.
»Ich auch«, stimmte Stuart zu. »Aber ich möchte Ihnen etwas sagen, das mir noch nie aufgefallen ist. Ich gucke Sie gern an, doch jetzt merke ich, dass Ihr gutes Aussehen ein Hindernis ist, Sie zu sehen oder kennen zu lernen, vielleicht ebenso sehr wie bei einer Frau, die hässlich ist oder missgebildet.«
»Wow, das ist hart. Danke, Stuart.«
»Rebecca, Sie sollen wissen«, sagte Julius, »dass auch ich gerührt bin davon, dass Sie uns Ihren Tagtraum mit dem Parfüm anvertrauen. Er zeigt, was für einen Teufelskreis Sie sich eingerichtet haben. Sie verwechseln Ihre Schönheit mit Ihrer Substanz, Ihrem Wesen. Und dann passiert das, worauf Stuart hingewiesen hat: Andere nehmen nicht Ihr Wesen, sondern Ihre Schönheit wahr.«
»Ein Teufelskreis, der mich zweifeln lässt, ob da überhaupt etwas ist. Ich muss immer noch an die Wendung denken, die Sie mal benutzt haben, Julius, ›die schöne, hohle Frau‹ – das bin ich hoch zehn.«
»Nur dass der Teufelskreis auch in sich zusammenbrechen kann«, meinte Gill. »Ich habe in den letzten Wochen mehr von Ihnen gesehen – das heißt, tiefer in Sie hineinschauen können – als im ganzen letzten Jahr.«
»Ja, ich auch«, befand Tony, »und, das meine ich jetzt ernst, ich möchte Ihnen sagen, dass es mir wirklich Leid tut, dass ich mein Geld rausgeholt habe, als Sie uns von Las Vegas erzählten – ich habe mich wie ein Volltrottel verhalten.«
»Entschuldigung zur Kenntnis genommen und akzeptiert«, erwiderte Rebecca.
»Sie haben heute eine Menge Feedback bekommen, Rebecca«, sagte Julius. »Wie fühlen Sie sich dabei?«
»Ich fühle mich großartig – es ist gut. Ich habe das Gefühl, dass man mich anders behandelt.«
»Das sind nicht wir«, sagte Tony, »das sind Sie. Echter Input bringt echten Output!«
»Echter Input bringt echten Output. Das gefällt mir, Tony«, sagte Rebecca. »Hey, Sie werden ein richtig guter Therapeut; vielleicht sollte ich allmählich mal mein Geld rausholen. Wie hoch ist Ihr Honorar?«
Tony grinste breit. »Da ich gerade so in Schwung bin, Julius, will ich mal raten, warum Sie unbedingt wieder mit Philip arbeiten wollten. Vielleicht waren Sie bei Ihrem ersten Zusammentreffen mit Philip vor vielen Jahren eher in der Verfassung, von der Sie uns letzte Woche erzählten – Sie wissen schon, dass Sie ein starkes sexuelles Verlangen nach anderen Frauen hatten.«
Julius nickte. »Weiter.«
»Also, ich frage mich Folgendes: Wenn Sie eine ähnliche Befindlichkeit hatten wie Philip – nicht dieselbe, aber irgendwas in der Richtung –, könnte das Ihrer Therapie mit ihm in die Quere gekommen sein?«
Julius richtete sich in seinem Sessel auf, Philip ebenfalls. »Das finde ich wirklich spannend, Tony. Jetzt fällt mir auch wieder ein, warum Therapeuten sich so ungern offenbaren – ich meine, das verschwindet ja nicht, was man enthüllt, kommt zurück und verfolgt einen immer wieder.«
»Tut mir Leid, Julius. Ich wollte Sie ganz bestimmt nicht bloßstellen.«
»Nein, nein, ist schon okay. Das meine ich ernst. Ich beklage mich nicht; vielleicht will ich nur Zeit gewinnen. Ihre Beobachtung ist gut – womöglich ist sie zu gut, zu nahe dran, und ich bin ein bisschen widerspenstig.« Julius hielt inne und überlegte einen Moment. »Okay, für mich sieht es so aus: Ich erinnere mich, dass ich überrascht und bestürzt war, weil ich Philip nicht hatte helfen können. Ich hätte ihm helfen müssen. Als wir anfingen, hätte ich eine dicke Summe darauf gewettet, dass ich ihm ein gutes Stück weiterhelfen würde. Ich dachte, ich hätte eine innere Verbindung zu ihm. Ich war sicher, dass meine persönliche Erfahrung die Therapie erleichtern würde.«
»Vielleicht«, sagte Tony, »vielleicht haben Sie Philip deshalb
in die Gruppe eingeladen – weil Sie es noch mal probieren, eine zweite Chance haben wollten. Stimmt’s?«
»Sie haben mir die Worte aus dem Munde genommen«, entgegnete Julius. »Genau das wollte ich gerade sagen. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass ich mich vor ein paar Monaten, als ich mich fragte, wem ich geholfen hatte und wem nicht, so auf Philip fixiert habe. Genau genommen habe ich sofort, als mir Philip einfiel, das Interesse an Kontakten mit anderen ehemaligen Patienten verloren. Hey, wie spät es schon wieder ist! Ich beende dieses Treffen ungern, aber wir müssen Schluss machen. Gute Sitzung – ich weiß, dass ich viel Stoff
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