Die Schopenhauer-Kur
Ashram schilderte.«
»Ja, genau«, sagte Pam. »Ich habe reichlich viel über den Verzicht auf alle Bindungen gehört, einschließlich der albernen Idee, wir könnten die Bindung an unser eigenes Ego aufgeben. Am Ende hatte ich das starke Gefühl, dass das Ganze sehr lebensverneinend ist. Und die Parabel, die Philip verteilt hat – was ist ihre Botschaft? Ich meine, was für eine Reise, was für
ein Leben soll das sein, wenn man so fixiert auf die Abfahrt ist, dass man sich nicht an seiner Umgebung und an anderen Menschen freuen kann? Und das sehe ich auch bei Ihnen, Philip.« Pam wandte sich direkt an ihn. »Ihre Lösung für das Problem ist eine Pseudolösung; sie ist überhaupt keine Lösung – sie ist was anderes, sie ist ein Verzicht aufs Leben. Sie stehen nicht im Leben; Sie hören anderen nicht richtig zu, und wenn ich Sie sprechen höre, habe ich nicht das Gefühl, dass ich einen lebendigen, atmenden Menschen vor mir habe.«
»Pam«, eilte Gill zu Philips Verteidigung, »von wegen zuhören – ich bin mir nicht sicher, ob Sie das tun. Haben Sie nicht mitgekriegt, dass es ihm früher erbärmlich ging? Dass er überwältigende Schwierigkeiten hatte und von Trieben beherrscht war? Dass volle drei Jahre Therapie bei Julius nichts bei ihm bewirkt haben? Dass er genau das tat, was Sie letzten Monat taten – was jeder von uns tun würde –, nämlich nach einer anderen Methode zu suchen? Dass er schließlich durch eine andere Herangehensweise Hilfe fand – eine, die keine abgedrehte New-Age-Pseudolösung ist? Und dass er jetzt versucht, Julius mit derselben Herangehensweise zu helfen?«
Die Gruppe war durch Gills Ausbruch zum Schweigen gebracht. Nach einer Weile sagte Tony: »Gill, Sie sind ja in Fahrt heute! Dass Sie so über meine Pam herfallen – das passt mir gar nicht, aber Mann, es gefällt mir wirklich, wie Sie hier auftreten, hoffentlich färbt es auf Ihr häusliches Leben mit Rose ab.«
»Philip«, sagte Rebecca, »ich möchte mich dafür entschuldigen, dass ich mich vorhin so abfällig geäußert habe. Allmählich ändere ich meine Meinung über diese . . . Geschichte von . . . von . . . Epihet . . .«
»Epiktet«, korrigierte Philip sie sanft.
»Epiktet, danke.« Rebecca fuhr fort: »Je mehr ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir, dass die Sache mit den Bindungen zum Teil auch auf meine Probleme zutrifft. Ich glaube, ich leide tatsächlich an einer übertriebenen Fixierung – nicht auf Dinge oder Besitz, sondern auf mein Aussehen. Mein Leben
lang hatte ich dank eines hübschen Gesichts einen Freibrief – kriegte jede Menge Bestätigung: Abschlussballkönigin, Homecoming Queen, Schönheitswettbewerbe, und jetzt, wo das weniger wird . . .«
»Weniger?«, meinte Bonnie. »Reichen Sie mir die wenigen Überreste einfach rüber.«
»Mir auch, ich würde jederzeit mit Ihnen tauschen und Ihnen dazu noch meinen Schmuck geben . . . und meine Kinder, wenn ich welche hätte«, sagte Pam.
»Das weiß ich zu schätzen. Wirklich. Aber alles ist relativ.« Rebecca fuhr fort: »Ich bin zu fixiert. Ich bin mein Gesicht, und jetzt, wo es sozusagen weniger wert ist, habe ich das Gefühl, ich sei weniger wert. Ich habe große Schwierigkeiten, meinen Freibrief aufzugeben.«
»Eine der Behauptungen Schopenhauers, die mir geholfen hat«, sagte Philip, »war die, dass relatives Glück aus drei Quellen herrührt: was man ist, was man hat und was man in den Augen anderer darstellt. Er drängt darauf, dass wir uns bloß auf die erste konzentrieren und nicht auf die zweite und dritte bauen – auf unseren Besitz und unser Ansehen – , denn darüber haben wir keine Kontrolle; beides kann uns genommen werden und wird es irgendwann auch, ebenso, wie Ihr unvermeidliches Altern Ihnen Ihre Schönheit nimmt. Das ›Haben‹ hat, so sagt er, sogar einen Umkehreffekt – was wir besitzen, fängt oft an, uns zu besitzen. «
»Interessant, Philip. Alle drei Faktoren – was man ist, hat und in den Augen anderer darstellt – treffen bei mir ins Schwarze. Ich habe zu lange für den letzten Faktor gelebt: was andere von mir halten. Ich will Ihnen noch ein Geheimnis verraten : über mein magisches Parfüm. Ich habe noch nie mit irgendjemandem darüber gesprochen, aber seit ich denken kann, träume ich davon, ein Parfüm namens Rebecca herzustellen, das aus meiner Substanz besteht und unendlich lange hält und jeden, der seinen Duft einatmet, dazu bringt, an meine Schönheit zu denken.«
»Rebecca, Sie
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