Die Schopenhauer-Kur
ich hatte das Gefühl, dass bei den letzten Treffen irgendwas nicht stimmte. Sie haben sich verändert, Pam. Ich erinnere mich, dass Rebecca das auch mehr als einmal spürte. Sie reden kaum noch über Ihre eigenen Anliegen – ich habe keine Ahnung, was zwischen Ihnen und John los ist oder ob Ihr Exmann noch eine Rolle für Sie spielt. Meistens haben Sie Philip angegriffen.«
»Und Tony, Sie auch«, fügte Gill hinzu. »Wenn ich so darüber nachdenke, haben Sie sich sehr verändert. Sie sind ausgewichen. Ich vermisse den alten, lockeren Tony.«
»Dazu möchte ich was sagen«, meinte Julius. »Zunächst etwas, das Pam mit ihrer Verwendung des Wortes Vertrag ansprach.
Ich weiß, ich wiederhole mich, aber es ist eine Wiederholung wert für alle, die vielleicht auch künftig in einer Gruppe sind« – Julius warf einen Blick auf Philip – »oder sogar eine Gruppe leiten. Der einzige Vertrag, die einzige Verpflichtung, die wir haben, ist die, unsere Beziehung zu allen anderen Mitgliedern zu erforschen. Das Schlimme an einer Beziehung außerhalb der Gruppe ist, dass sie die therapeutische Arbeit gefährdet. Wie das? Menschen in einer engen Beziehung schätzen diese Beziehung oft höher als die Therapie. Und genau das ist hier passiert: Nicht nur haben Pam und Tony ihre eigene Beziehung geheim gehalten – das ist verständlich –, aber als Resultat ihrer persönlichen Verstrickung haben sie sich vor ihrer therapeutischen Arbeit hier gedrückt.«
»Bis heute«, sagte Pam.
»Stimmt, bis heute – und ich begrüße, was Sie getan haben, und ich begrüße Ihren Entschluss, es in die Gruppe einzubringen. Wissen Sie, was meine Frage an Sie beide ist: Warum jetzt? Sie kennen sich seit ungefähr zweieinhalb Jahren. Aber jetzt ändert sich die Situation. Warum? Was ist vor einigen Wochen geschehen, das Sie bewogen hat, sich sexuell aufeinander einzulassen?«
Pam wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen an Tony, um ihm zu bedeuten, er solle antworten. Er fügte sich. »Gentlemen first? Bin ich wieder dran? Kein Problem, ich weiß genau, was sich verändert hat: Pam hat mir ihr Okay signalisiert. Ich habe seit jeher einen Steifen, wenn ich sie sehe, und wenn sie mir das vor sechs Monaten oder zwei Jahren signalisiert hätte, wäre ich auch damals darauf angesprungen. Nennen Sie mich ›Mister Verfügbar‹.«
»Hey, das ist der Tony, den ich kenne und liebe«, sagte Gill.
»Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, warum Sie sich verändert haben, Tony«, meinte Rebecca. »Sie haben was mit Pam laufen und wollten nichts tun, um das zu vermasseln. Das ist verständlich. Also verstecken Sie sich, passen auf, dass Sie keine von Ihren nicht so netten Seiten zeigen.«
»Die Dschungel-Seiten meinen Sie?«, sagte Tony. »Vielleicht, vielleicht auch nicht – ganz so einfach ist es nicht.«
»Was heißt das?«, fragte Rebecca.
»Das heißt, die nicht so netten Seiten turnen Pam an. Aber das will ich nicht vertiefen.«
»Warum nicht?«
»Kommen Sie, Rebecca, das ist doch offensichtlich. Wieso wollen Sie mich in Verlegenheit bringen? Wenn ich weiterrede, kann ich mir die Beziehung mit Pam abschminken.«
»Sind Sie sicher?«, drängte Rebecca.
»Was denken Sie denn? Ich vermute, dass sie es heute in die Gruppe einbringt, bedeutet, dass es für sie gelaufen ist, dass sie Schluss machen will. Es wird warm hier – der heiße Stuhl wird richtig heiß.«
Julius wiederholte seine Frage für Pam, was das Timing ihrer Affäre mit Tony betraf, die Pam untypisch zögernd beantwortete. »Ich weiß es nicht. Irgendwie bin ich zu nahe dran. Ich weiß nur, dass es nicht beabsichtigt war, nicht geplant – es geschah spontan. Wir gingen nach einem Treffen Kaffee trinken, nur wir beide, weil Sie alle nach Hause gefahren waren. Er lud mich zum Essen ein – das hat er schon oft getan, aber diesmal schlug ich vor, zu mir zu fahren und da eine Suppe zu essen. Er willigte ein, und die Sache lief aus dem Ruder. Warum an dem Tag und nicht früher? Ich weiß es nicht. Wir sind auch davor öfter zusammen gewesen; ich habe mit Tony über Literatur geredet, ihm Bücher gegeben, ihn ermutigt, sich fortzubilden, und er hat mir das Tischlern beigebracht, mir geholfen, einen kleinen Fernsehtisch zu bauen. Das haben Sie alle mitgekriegt. Wieso es jetzt was Sexuelles wurde? Ich weiß nicht.«
»Ist es Ihnen recht, wenn wir versuchen, das rauszufinden? Ich weiß, dass es nicht leicht ist, in Gegenwart eines Liebhabers über so etwas Intimes zu
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