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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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sprechen«, sagte Julius.
    »Ich bin heute fest entschlossen, daran zu arbeiten.«

    »Gut, hier ist die Frage: Denken Sie an die Gruppe – was ging da Wichtiges vor sich, als die Sache anfing?«
    »Seit ich aus Indien zurück bin, bedrückt mich zweierlei. Ihre Gesundheit ist das eine. Ich habe mal einen ziemlich verrückten Artikel gelesen, in dem stand, dass sich Mitglieder von Gruppen in der unbewussten Hoffnung paaren, einer ihrer Nachkommen möge der neue Leiter werden, aber das ist abwegig. Julius, ich weiß nicht, ob Ihre Krankheit mich veranlasst hat, mich näher auf Tony einzulassen. Vielleicht habe ich aus Angst davor, dass es mit der Gruppe vorbei ist, eine dauerhaftere Bindung gesucht; vielleicht habe ich irrationalerweise geglaubt, dass die Gruppe dann über das Jahr hinaus weiter besteht. Ich rate bloß.«
    »Gruppen«, sagte Julius, »sind wie Menschen: Sie wollen nicht sterben. Vielleicht war Ihre Beziehung mit Tony ein verdrehter Versuch, sie am Leben zu erhalten. Alle Therapiegruppen möchten am liebsten weitermachen, sich regelmäßig wiedersehen  – aber das tun sie selten. Wie ich hier schon oft gesagt habe: Die Gruppe ist nicht das Leben; sie ist eine Generalprobe fürs Leben. Wir müssen alle einen Weg finden, das, was wir hier lernen, auf das richtige Leben zu übertragen. Ende des Vortrags.«
    »Aber Pam«, fuhr Julius fort, »Sie erwähnten, dass Sie zweierlei bedrückt: das eine ist meine Gesundheit und das andere . . .«
    »Das ist Philip. Er beschäftigt mich ständig. Es ist mir zuwider, dass er hier ist. Sie haben gesagt, dass seine Anwesenheit irgendwann womöglich ein Segen für mich ist, und ich vertraue Ihnen, aber bisher ist er für mich nur ein Fluch, mit einer Ausnahme vielleicht: Ich bin so gefangen von meinem Hass auf ihn, dass meine Besessenheit von Earl und John verschwunden ist. Und ich glaube, sie kommt auch nicht wieder.«
    »So«, beharrte Julius, »Philip beschäftigt Sie also sehr. Ist es denkbar, dass seine Gegenwart eine Rolle gespielt hat für das Timing Ihrer Affäre mit Tony?«

    »Alles ist denkbar.«
    »Irgendein Verdacht?«
    Pam schüttelte den Kopf. »Ich habe keinen. Ich tippe auf reine Geilheit. Ich habe seit Monaten mit keinem Mann mehr geschlafen. Das kommt selten vor bei mir. Ich glaube, komplizierter ist es nicht.«
    »Reaktionen?« Julius ließ seinen Blick durch den Raum schweifen.
    Stuart, dessen methodischer Verstand scharf arbeitete, sprang ein. »Zwischen Pam und Philip ist mehr als ein Konflikt  – sie stehen sehr in Konkurrenz zueinander. Vielleicht gehe ich zu weit, aber hier ist meine Theorie: Pam hatte immer eine Schlüsselposition, eine zentrale Stellung in der Gruppe – die Professorin, die Gelehrte, diejenige, die es in die Hand nahm, Tony zu bilden. Und was passiert? Sie macht eine Reise und findet bei ihrer Rückkehr Philip auf ihrem Platz vor. Das war sicherlich verwirrend.« Stuart wandte sich Pam zu. »Was Sie vor fünfzehn Jahren mit ihm erlebten, hat sich dadurch noch verschlimmert.«
    »Und die Verbindung zu Tony?«, fragte Julius.
    »Na ja, das hätte so ein Fall von Konkurrenz sein können. Wenn meine Erinnerung mich nicht trügt, versuchten Pam und Philip beide etwa gleichzeitig, Ihnen tröstliche Geschenke zu machen. Philip verteilte diese Geschichte über das Schiff, das an einer Insel hält, und ich entsinne mich, dass Tony sich an dem Gespräch darüber intensiv beteiligte.« Er wandte sich an Pam. »Vielleicht war das bedrohlich für Sie; vielleicht wollten Sie Ihren Einfluss auf Tony nicht verlieren.«
    »Danke, Stuart, äußerst erhellend«, schoss Pam zurück. »Sie behaupten damit, dass ich, um mit diesem Zombie mithalten zu können, alle Männer in der Gruppe ficken muss! Ist das Ihre Meinung über die Fähigkeiten von Frauen?«
    »Das ermuntert bestimmt zu einem Feedback«, sagte Gill, »und der Seitenhieb mit dem Zombie ist voll daneben. Mir ist Philips Ausgeglichenheit allemal lieber als hysterische Beschimpfungen !
Pam, Sie sind so was von wütend! Können Sie noch was anderes als sauer sein?«
    »Das sind starke Gefühle, Gill. Was ist los?«, fragte Julius.
    »Ich glaube, ich sehe viel von meiner Frau in dieser neuen, wütenden Pam, und ich bin fest entschlossen, sie keine Bösartigkeiten austeilen zu lassen – beide nicht.«
    »Und da ist noch was«, fügte Gill hinzu. »Ich glaube, ich ärgere mich darüber, dass ich für Pam nach wie vor so unsichtbar bin.« Er wandte sich ihr zu. »Ich spreche Sie

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