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Die Schopenhauer-Kur

Die Schopenhauer-Kur

Titel: Die Schopenhauer-Kur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvin D. Yalom
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könnte den anfechten in den Jahren, die er noch zu athmen hat?« Ref 129
    Eine damit zusammenhängende Beschwichtigungsstrategie war die Überzeugung, sein Werk würde früher oder später, wahrscheinlich nach seinem Tod, bekannt werden und den Verlauf der philosophischen Forschung drastisch ändern. Diese Meinung äußerte er schon früh in seinem Leben, und er ließ sich in seinem Glauben an einen endgültigen Erfolg auch nie beirren. In dieser Hinsicht ähnelte er Nietzsche und Kierkegaard, zwei weiteren unabhängigen und zu Lebzeiten wenig geschätzten Denkern, die vollkommen (und zu Recht) von ihrem posthumen Erfolg überzeugt waren.
    Tröstungen durch Übernatürliches lehnte er ab; er akzeptierte nur die, die auf einer naturkundlichen Weltsicht beruhten. Zum Beispiel glaubte er, Leid rühre von der irrtümlichen Annahme her, dass viele Kümmernisse des Lebens zufällig und damit vermeidbar seien. Viel besser sei es, die Wahrheit zu erkennen : dass Schmerz und Leiden unausweichlich, unabwendbar und wesentlich Teil des Lebens sind – »und nichts weiter als seine bloße Gestalt, die Form unter der es sich darstellt, daß also unser gegenwärtiges Leiden eine Stelle ausfüllt, in welche ohne dasselbe zugleich ein anderes träte . . . eine solche Reflexion (könnte), wenn sie zur lebendigen Überzeugung würde, einen bedeutenden Grad stoischen Gleichmuts herbeiführen . . .« Ref 130
    Er drängte uns, unser Leben jetzt zu leben, statt es in der »Hoffnung« auf ein zukünftiges Wohl zu führen. Zwei Generationen später sollte Nietzsche darauf zurückkommen. Für ihn war Hoffnung die größte Geißel der Menschheit, und er prangerte Platon, Sokrates und das Christentum dafür an, dass sie unsere Aufmerksamkeit von dem einzigen Leben, das wir haben, weg und auf eine künftige illusorische Welt lenken.

»Wo gibt es denn wirkliche Monogamisten? Wir alle leben
wenigstens eine Zeitlang, meistens aber immer in
Polygamie. Da folglich jeder Mann viele Weiber braucht, ist
nichts gerechter, als daß ihm freistehe, ja obliege, für viele
Weiber zu sorgen. Dadurch wird auch das Weib auf ihren
richtigen und natürlichen Standpunkt, als subordiniertes
Wesen, zurückgeführt . . .« Ref 131
36
    Pam eröffnete das nächste Treffen. »Ich muss etwas bekannt geben.« Alle Köpfe wandten sich ihr zu.
    »Heute ist Beichtstunde. Los, Tony.«
    Tony fuhr erschreckt hoch, starrte Pam an, lehnte sich dann in seinem Sessel zurück, verschränkte seine Arme und schloss die Augen. Wenn er einen Hut getragen hätte, hätte er ihn sich übers Gesicht gezogen.
    Pam, die vermutete, dass Tony nicht die Absicht hatte, etwas zu sagen, fuhr mit ihrer klaren, beherzten Stimme fort: »Tony und ich haben seit einiger Zeit eine sexuelle Beziehung, und es fällt mir schwer, weiterhin herzukommen und nichts davon zu erwähnen.«
    Nach kurzem, geladenem Schweigen wurden Fragen gestottert : »Wieso?«, »Wie hat das angefangen?«, »Wie konnten Sie nur?«, »Wie läuft es?«
    Rasch und kühl erwiderte Pam: »Es läuft seit mehreren Wochen. Ich weiß nicht, wie es weitergehen wird, ich weiß nicht, was es in Gang gebracht hat; es war nicht vorsätzlich, sondern passierte einfach eines Abends nach einer Sitzung.«

    »Machen Sie heute mit, Tony?«, fragte Rebecca sanft.
    Tony öffnete langsam die Augen. »Das ist völlig neu für mich.«
    »Neu? Wollen Sie damit sagen, dass es nicht stimmt?«
    »Nein. Ich meine das mit der Beichtstunde. Dieses ›Los, Tony‹ – das war neu für mich.«
    »Sie sehen nicht besonders glücklich aus«, sagte Stuart.
    Tony wandte sich an Pam. »Ich meine, ich war gestern Abend bei dir. War dir nahe, weißt du? Nähe – wie oft habe ich hier gehört, dass Bräute sensibler sind und mehr Nähe wollen als bloß die gute alte sexuelle Nähe? Warum warst du mir dann nicht so nah, dass du mit mir geredet, mir diese ›Beichtstunde‹ erst vorgeschlagen hast?«
    »Tut mir Leid«, sagte Pam, ohne dass es danach klang, »irgendwie ergab es sich nicht. Aber nachdem du weg warst, habe ich die halbe Nacht gebrütet und über die Gruppe nachgedacht und erkannt, dass die Zeit knapp wird – wir haben nur noch sechs Sitzungen. Habe ich richtig gezählt, Julius?«
    »Genau. Sechs Sitzungen.«
    »Na ja, da ist mir mit Schrecken klar geworden, wie sehr ich Sie betrüge, Julius. Und gegen meinen Vertrag hier mit allen anderen verstoße. Und mich außerdem selbst betrüge.«
    »Ich habe mir das nie so zusammengereimt«, sagte Bonnie, »aber

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