Die schottische Braut
hier nicht länger bleiben, die Gefahr ist zu groß.”
Als wollte es seine Äußerung bekräftigen, geriet das Vordeck eines nahe liegenden Schiffes in Brand. Augenblicke später stand das ganze Schiff in Flammen, die Mannschaft sprang ins Wasser, um zu entkommen.
“Legt ab!”, schrie der Kapitän. Während sich die Mannschaft daranmachte, die Laufplanke einzuholen, streckte er seine Hand Harris entgegen.
Dieser schüttelte den Kopf und kletterte zurück auf den Kai. “Ich bleibe hier und helfe, so gut ich kann, dem Feuer Einhalt zu gebieten”, rief er. “Halten Sie die Augen offen nach Jenny!”
Einen Moment lang sah er der
St. Bride
nach, wie sie in den Kanal einlief.
“Chisholm”, rief jemand. “Was sollen wir mit den anderen Menschen tun?”
Harris wandte sich um und sah den Vikar, der zwei Frauen, ein halbes Dutzend Kinder und einen alten gebrechlichen Mann mit sich brachte.
Nach kurzer Überlegung sagte er: “Bringen Sie sie zu Roderick Douglas’ Haus. Es ist aus Stein gebaut, und das Dach ist mit Kupfer gedeckt. Wenn irgendein Gebäude in der Stadt das Feuer übersteht, so dieses.”
“Aber, aber”, stammelte der Vikar. “Wir können doch nicht … über sein Eigentum verfügen, während er abwesend ist.”
Harris bot dem alten Mann seinen Arm und lächelte ihn aufmunternd an. Er ging die Straße entlang und rief dem Vikar zu. “Verfügen – genau das müssen wir tun. Mr Douglas ist abwesend. So braucht er das Haus auch nicht. Wenn er wieder zurück ist und etwas dagegen hat, so werde ich es verantworten.”
Die Gruppe nahm auf dem Weg zu Roderick Douglas’ Haus noch mehr verstreute Hilfesuchende auf. Sie waren bereits in Sichtweite des Gebäudes, als ein rußgeschwärzter Mann herbeistürzte.
“Chisholm, kannst du uns helfen? Lobans Haus steht in Flammen. Wir haben eine Eimerbrigade vom Fluss her gebildet, doch wir fürchten, es nicht retten zu können.”
“Versucht die umliegenden Häuser davor zu bewahren, Feuer zu fangen. Schüttet das Wasser auf die Dächer. Wenn es sein muss, tragt sie ab. Ich komme, sobald ich diese Menschen in Sicherheit gebracht habe.”
Er fragte sich, warum jedermann zu ihm kam, Anweisungen und Ratschläge zu holen. Vielleicht hatten sie schon zu lange unter dem Einfluss von Roderick Douglas gestanden, dass ihnen eigene Entschlussfähigkeit schwerfiel. Er hatte Douglas’ Autorität infrage gestellt und ihn besiegt … Hatte ihn das in ihren Augen zum Anführer gemacht?
Harris fühlte sich nicht als Anführer. Vielmehr fühlte er sich wie ein steuerloses Schiff, weit vom Land entfernt, von heftigen Stürmen hin und her geworfen, ungewiss, ob er jemals wieder sicheren Hafen erreichte.
“Oh Jenny”, flüsterte er zu sich selbst. “Wo bist du hin, Mädchen? Werde ich dich jemals wiedersehen?”
Sollte sie Harris jemals wiedersehen?, fragte sich Jenny, als sie sich in das seichte Wasser des Miramichi flüchtete. Sie wusste nicht, wie lange sie schon da war. Tag und Nacht hatten die Bedeutung für sie verloren. Der Fluss begann zu wallen und seltsam zu schäumen, während er die Feuerapokalypse an Land widerspiegelte. Es schien wie eine Szene aus dem Buch der Offenbarungen.
Jenny schrie auf, als ihr Glut auf die Schulter fiel.
Sie tauchte ins Wasser ein und fand Gefallen an der kühlen Stille unter der Oberfläche. Wenn es doch nur möglich wäre, hier unten zu atmen …
Nach Luft schnappend, kehrte sie an die Oberfläche zurück. Sie strich sich das nasse Haar aus dem Gesicht.
Die Flammen hatten das Ufer erreicht und verzehrten die ausgedörrten Bäume mit rasender Geschwindigkeit. Harris und seine Häscher waren ihr weit voraus, als das Feuer sie aufhielt. War für Sweeney und McBean die Katastrophe eine willkommene Gelegenheit, sich Harris’ zu entledigen, während das Feuer alle Spuren ihrer Tat vernichtete? Oder hatten die Flammen sie alle überrascht?
Gleichgültig was geschehen war, es stand nicht gut für sein Überleben.
Eine große Kiefer fiel den Flammen zum Opfer und neigte sich ins Wasser. Jenny holte tief Luft und tauchte unter. Sie vernahm ein seltsam gedämpftes Geräusch, als der Baum aufschlug. Zischend stieg Dampf auf, als das Wasser die Flammen erstickte.
Als sie den Kopf wieder aus dem Wasser streckte, schauderte sie, als sie sah, wie nahe neben ihr der Baum abgestürzt war.
Verzweiflung drohte sie zu überwältigen. Die Angst um Harris zehrte an ihr. Ihr ganzes Leben lang hatte sie sich davor gefürchtet, die Liebe im
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