Die schottische Braut
bleiben.
“
Restez?
Rasten.” Jenny übersetzte es sich. “Ich soll bleiben, wo ich bin.”
Die Frau und ihre Kinder gingen ins Haus zurück, doch sie kehrte kurz darauf ohne Baby zurück. Sie hielt ihr zwei goldbraun gebratene Klöße entgegen, die genau in Jennys Handfläche passten. Sie waren noch warm.
Jenny legte die Speisen in ihre linke Hand. Mit der rechten suchte sie in ihrer Schürzentasche nach einer ihrer Münzen.
Die Frau musterte das Geldstück und Jenny noch misstrauischer als zuvor. Sie schüttelte den Kopf. “
Allez.”
Dabei bedeutete sie Jenny, sich auf den Weg zu machen.
“Haben Sie Dank.” Jenny schob Essen wie auch das Goldstück in ihre Tasche und hob das Bündel auf, das ihr Hochzeitskleid enthielt.
“Nochmals vielen Dank”, rief sie ihr über die Schulter zu. Sie konnte es kaum erwarten, aus dem Blickfeld der Hütte zu gelangen, damit sie die Wegzehrung sofort verspeisen konnte.
Sie zog die Schuhe aus und hob die Röcke, um den Fluss zu durchqueren. Das Wasser war seicht nach dem trockenen Sommer. Jenny verschwand im Wald und folgte dem Pfad einige hundert Yards. Dann ließ sie sich unter einem hohen Ahornbaum nieder und legte sich das Essen zurecht.
Die unerwarteten Leckerbissen erinnerten sie an schottische Eier. Sie hatte die übliche Mischung aus Fleisch und hart gekochten Eiern erwartet, doch als Jenny hineinbiss, stieß sie einen leisen Überraschungsschrei aus. Unter der köstlich gebratenen Kruste war eine Schicht aus Kartoffeln, die einen gesalzenen Dorsch umhüllte.
Noch nie hatte Jenny etwas so Delikates gegessen.
Eigentlich wollte sie das zweite Stück für das morgige Frühstück aufbewahren, doch begierig verzehrte sie es sofort.
Sie blieb noch einige Zeit sitzen und hörte dem fröhlichen Lachen der Kinder zu, das von der Lichtung herüberklang. Sie liebäugelte mit dem Gedanken zurückzugehen, um nach einem Nachtlager zu fragen. Doch ohne Sprachkenntnisse konnte dies schwierig werden, und noch dazu schien die Frau nicht sonderlich beeindruckt gewesen zu sein, dass sie bezahlen konnte. Es war besser, sie ging weiter und kam bis zur Abenddämmerung noch näher an Chatham heran.
Das warme Essen im Magen belebte Jennys Kräfte und ihre Sinne. Sie zog die Schuhe wieder an, stand auf und schulterte das Bündel mit ihren Habseligkeiten. Dann schritt sie den schmalen Weg entlang, der sanft anstieg.
Sind die einzigen Siedler in diesem Gebiet Franzosen?, fragte sie sich, während sie weiterging. Und konnte sie das nächste Haus noch vor Sonnenuntergang erreichen?
“Haben Sie eine junge Frau gesehen? Sie trug einen blauen Hut und …” Als er den fragenden Blick in den Augen der alten Frau sah, rief sich Harris sein eingerostetes Französisch ins Gedächtnis zurück, das ihm sein Großvater beigebracht hatte, um die “Alte Allianz” zu ehren. “
Avez-vous vu une femme … avec un chapeau bleu … et un …”
Er kramte in seiner Erinnerung, um ein Wort für Paket oder Bündel zu finden, doch die Frau deutete in eine Richtung. “
Oui. La fille, elle est allée sur le chemin.”
Gott sei Dank! “
Merci, merci!”
, rief Harris. “
Quand?”
, fragte er.
Wann?
Die Frau überlegte einen Moment. Oder vielleicht suchte sie auch nur ein Wort, welches er verstehen würde.
“
Peut-être deux heures?”
, sagte sie schließlich und hielt zwei Finger hoch, um die Bedeutung zu untermauern. “
L’àpres-midi, tard”
, fügte sie hinzu.
Am späten Nachmittag.
Harris seufzte. Er war ihr bis auf zwei Stunden nahe gekommen. Konnte er sie noch erreichen, ehe der Abend hereinbrach?
“Merci encore, mistress.”
Er verbeugte sich rasch vor der Frau.
Er war bereits mehrere Schritte die Straße entlanggegangen, als ihn ihre Frage innehalten ließ. “
La fille, ou va-t’elle?”
“Miramichi”, rief er zurück, dabei konnte er die Besorgnis in seiner Stimme nicht verbergen. “Sie ist auf dem Weg nach Miramichi.”
“
Miramichi, à pied?” Zu Fuß?
Die Frau klang aufrichtig entsetzt. “
Mais, ce n’est pas le chemin. Personne n’habite la route après Louis Vautour.”
“Deshalb muss ich sie finden.” Harris nahm sich nicht die Zeit zu übersetzen. Er war sicher, die Alte würde ihn verstehen. Er kam zu der Erkenntnis, dass der Weg, so wie er sich verengte, bald verschwinden würde. Wer auch immer dieser Louis Vautour war, Harris hoffte, dass Jenny genügend Verstand besaß, dort anzuhalten und um Obdach zu bitten, ehe die Dunkelheit hereinbrach.
Könnte
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