Die schottische Braut
Douglas seine Kinder tyrannisiert. Nur Roderick war an dieser grausamen Erziehung nicht zerbrochen.
Harris hatte angenommen, dass der Hass zwischen Vater und Sohn von ihren unterschiedlichen Charakteren herrührte. Jetzt wusste er es besser.
Jennys Blick nach zu urteilen, machte es keinen Sinn, sie jetzt zu überzeugen. Zumindest nicht in diesem Moment. Ihr entschlossenes Leugnen, dass irgendetwas Unehrenhaftes zwischen ihnen vorgefallen war, war ein deutlicher Beweis, dass sie ihn nicht liebte, so wie sie es behauptet hatte.
Trotzdem wollte er sie nicht ihrem Schicksal überlassen. Er hatte sie die gefährliche Reise nach Miramichi nicht allein machen lassen, genauso wenig würde er zulassen, dass sie den hartherzigen Roderick Douglas heiratete.
Douglas griff in seine Westentasche und holte einige Münzen hervor. “Ich stehe in Ihrer Schuld, Chisholm, dafür, dass Sie meine Braut sicher nach Miramichi gebracht haben.” Er warf Harris das Geld mit einer Mischung aus Dankbarkeit und Verachtung zu.
Als die Münzen um ihn herum im Sägemehl landeten, wollte Harris sie mit dem Fuß wegstoßen. Doch da er in der Stadt bleiben und auf eine Gelegenheit warten wollte, Jenny über den wahren Charakter ihres Bräutigams aufzuklären, brauchte er etwas zum Leben.
“Selbst
Sie
haben nicht genug Geld, um mich für meine Mühe zu bezahlen.” Harris hatte das bittere Vergnügen zu sehen, wie Jenny bei seinen Worten erschrak.
“Ich nehme an, Sie werden jetzt wieder Ihres Weges ziehen, nachdem Ihre Aufgabe als Begleiter erledigt ist?”, fragte Roderick Douglas.
Dafür war also das Geld – um ihn rasch loszuwerden.
“Meines Weges ziehen? Nicht unbedingt. Ich werde für eine Weile hierbleiben. Sehen, welche Möglichkeiten es für einen Mann mit meinen Fähigkeiten gibt.”
Roderick Douglas zog die Augenbrauen hoch. “Und was sind Ihre
Fähigkeiten
, Chisholm?”
Harris bemühte sich, sein Temperament zu zügeln. “Ich war für die Ausführungen der Arbeiten bei einem großen Granitsteinbruch verantwortlich, ehe ich emigrierte. Außerdem verstehe ich, Bücher zu führen, und kann schön schreiben.”
“Wir haben wenig Bedarf für
Schreiber
in Chatham.”
“Aye? Dann muss ich mich wohl bald wieder auf den Weg machen. Doch da ich nun schon einmal hier bin, will ich doch sehen, dass Miss Lennox sich rechtschaffen vermählt. Auf diese Art habe ich das Gefühl, das gegebene Wort an ihren Vater gehalten zu haben. Wann wird die Hochzeit sein?”
“Es kann bis zu einem Monat dauern.”
Hinter dem scheinbaren Bedauern hörte Harris einen kaum merklichen Triumph heraus. Ohne Zweifel nahm Douglas an, dass er weder Geld noch Zeit aufbringen konnte, um so lange zu warten.
“Ein Monat?”, jammerte Jenny. “Warum nicht eher?” Sie schien ebenso verzweifelt, die Vermählung so rasch wie möglich zu vollziehen, wie er sie verhindern wollte.
“Das Aufgebot, meine liebe Janet.” Als Douglas sie mit einem besitzergreifenden Lächeln bedachte, wurde es Harris übel. “Es muss an drei Sonntagen verlesen werden.”
“Ja, ich weiß, was ein Aufgebot ist”, sagte Jenny. “Ich dachte nur ein rei… ein begüterter Mann wie Sie kann sich die amtliche Genehmigung dafür kaufen.”
“Natürlich kann ich es mir leisten”, antwortete Douglas missmutig. Er zügelte seine Gemütserregung sofort wieder, indem er mit übertriebener Gefälligkeit fortfuhr: “Es geht mir auch darum, was die Gemeinschaft von einem Mann in meiner Stellung erwartet.”
Diese Antwort forderte Harris zu einer scharfen Bemerkung heraus: “Und ein Mann in Ihrer Position muss immer auf seine Stellung achten.”
Jenny warf ihm einen Blick zu, halb scheltend und halb flehend, als ob sie sagen wollte,
Bitte, tu das nicht – nicht jetzt.
Anscheinend begriff Roderick Douglas die Doppeldeutigkeit von Harris’ Äußerung nicht. “Auf meine Stellung achten.” Er schien die Worte auf der Zunge zergehen zu lassen. “Das verstehen Sie
doch
, Chisholm?”
“Jetzt, da ich Sie kennengelernt habe, Mr Douglas, verstehe ich sehr viel.”
“Das freut mich zu hören. Nochmals vielen Dank, dass Sie Janet sicher hierher geleitet haben. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, ich muss zusehen, dass sie ordentlich in meinem Haus untergebracht wird, und ich muss mit dem Vikar sprechen, damit das Aufgebot am Sonntag bestellt wird.”
“Vikar?”, fragte Jenny. “Wir werden doch nicht in der englischen Kirche getraut?”
“Aber natürlich, meine liebste
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