Die schottische Braut
sich darüber, wie schwierig es war, zuverlässige Arbeiter zu bekommen. Der eine war ungeschickt, der andere unehrlich, der nächste dreist. Jenny konnte nicht begreifen, wie die Gesellschaft mit solchen Arbeitern überhaupt ein Schiff zustande brachte.
“Von all den unnützen, ignoranten, stümperhaften …”
Schwach, doch mit aller Schärfe wie die schmähenden Worte Rodericks über seine Männer, drang es durch die Tür. Kraftvolle Schläge folgten, die Jenny zusammenzucken ließen.
Sie stürzte die Treppe hinab in die Küche.
“Was geht hier vor? Ist jemand verletzt?”
Rodericks Haushälterin, Mrs Lyons, stand drohend zwischen Jenny und einem wimmernden Hausmädchen.
“Es ist nichts, worum Sie sich kümmern müssen, Madam.” Der Tonfall der Haushälterin klang abweisend, wenn nicht sogar anmaßend.
Obwohl Jenny jede Auseinandersetzung mit dieser Person scheute, blieb sie beharrlich. “Das Wohlergehen von Mr Douglas’ Bediensteten ist durchaus meine Angelegenheit, Mrs Lyons. Wenn nicht jetzt, dann gewiss nach der Vermählung. Was ist geschehen?”
Mrs Lyons leitete ihre Antwort mit einem tiefen Atemholen ein, was so viel bedeutete
Wenn Sie es unbedingt wissen wollen …
“Marie hat herumgetrödelt und beim Plätten nicht aufgepasst. Sie hat ein Hemd des gnädigen Herrn versengt.”
Jenny warf einen Blick auf das Hemd, das auf dem Tisch lag. Die betreffende Stelle war mit bloßem Auge kaum sichtbar. “Es ist am Rücken, zwischen den Schulterblättern. Niemandem wird es auffallen. Marie zu rügen wäre genug gewesen. Ich fürchte, Sie sind zu streng mit den Mädchen, Mrs Lyons. Jeder macht Fehler.”
Die Haushälterin dachte offensichtlich, Roderick hatte den größten Fehler bei der Wahl seiner Braut gemacht. Ihre ohnehin schon blässliche Gesichtsfarbe wurde noch weißer, und ihre dunklen Augenbrauen senkten sich bedrohlich.
“Ist das alles, Madam?”
Jenny hatte erwartet, schlechter aus diesem Disput herauszukommen, und antwortete: “Ja, ich danke Ihnen. Trockne deine Augen, Marie, und geh wieder an die Arbeit. Pass künftig besser auf, was du tust.”
“
Oui
… ich meine, ja, Mistress.”
Über den Vorfall wurde bis zum Abend nicht mehr gesprochen.
“Mrs Lyons sagte mir, Sie hätten sich in ihre Hausführung eingemischt, Janet”, sagte Roderick, als sie speisten.
Trotz seines gelassenen Tonfalls spürte Jenny, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte und ihr Herz zu pochen begann. Die unheimliche Förmlichkeit des Speisezimmers ließ sie erschauern. Das köstliche Mahl schien sich auf ihrer Zunge in Sägemehl zu verwandeln.
Unwillkommen kehrte die wehmütige Erinnerung an eine Mahlzeit zurück, die sie mit Harris genossen hatte. Wilder Hase, gebraten über offenem Feuer, mit den Fingern gegessen. In seiner Gesellschaft und einem Gefühl völliger Freiheit hatte es vorzüglich gemundet.
“Ich …” Jenny trank einen Schluck Ale, um die plötzliche Trockenheit in ihrer Kehle fortzuspülen. “Ich denke, es gab keinen Grund, die arme Marie dafür zu züchtigen.” Empörung überwand ihre übermäßige Besorgnis. “Meiner Meinung nach ist Mrs Lyons viel zu streng mit dem Mädchen. Sie verängstigt sie so sehr, dass sie kaum zu sprechen wagt. Das Haus ist wie ein Grab in …”
Wortlos legte Roderick seine Gabel beiseite und blickte sie an.
Jenny verstummte.
“Gute Haushälterinnen sind schwer zu bekommen, Janet. Ich weiß es, denn es dauerte eine ganze Weile, um Mrs Lyons zu finden. Sie ist in der Lage, diesen Haushalt auf angemessene Art zu führen …”
“… wie es einem Mann in Ihrer Stellung geziemt.” Die Worte kamen über Jennys Lippen, ehe sie sich dessen bewusst war. Sie hielt den Atem an.
Zu ihrer Überraschung klang Rodericks Stimme noch ruhiger, als er weitersprach. “Ich wäre Ihnen dankbar, Janet, wenn Sie meine Position nicht leichtfertig betrachten.” Als sie sich schließlich überwinden konnte, seinem Blick zu begegnen, sah sie in seinen dunklen Augen Zorn aufblitzen.
“Ich musste sehr hart dafür arbeiten, um das zu erreichen, was ich heute bin.” Ehe sie sich entschuldigen konnte, redete er weiter, offenbar mehr zu sich selbst als zu ihr: “Mein Vater prophezeite mir, dass niemals etwas aus mir werden könnte, doch ich habe es ihm bewiesen.”
Jenny fragte sich, ob jedermann auf dieser Welt bereit war, sein Leben nach den Erwartungen der Eltern auszurichten, um sie zu erfreuen oder zu enttäuschen.
Roderick wurde von der Geringschätzung seines
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