Die schottische Braut
Augenbrauen.
“Stehen Sie nicht herum, Mädchen”, fuhr sie Jenny an. “Sagen Sie endlich, was Sie wollen.”
“Bitte.” Jenny schluckte und versuchte es erneut. “Bitte, ist dies das Haus von Mr Douglas?”
“Ja.”
“Mr Roderick Douglas?”
“Habe ich das nicht eben gesagt? Was wollen Sie von Mr Douglas, Mädchen?”
Jenny versuchte, sich zu beruhigen. Wenn das Haus Roderick Douglas gehörte, musste diese Frau eine Bedienstete sein. Bald würde sie auch Jenny bedienen.
“Das ist eine persönliche Angelegenheit zwischen Mr Douglas und mir. Ist er zu Hause?”
Die Frau sah Jenny abschätzig von oben bis unten an, Missfallen stand deutlich in ihrem Gesicht geschrieben. Es schien, als wog sie die Entscheidung ab, ob sie die Auskunft erteilen sollte.
“Nein”, erklärte sie endlich.
Jenny fühlte, wie diese Frau Freude an ihrem enttäuschten Blick empfand.
“Nein, und er wird wahrscheinlich nicht vor dem Abendessen kommen – wenn überhaupt.”
“Wo kann ich ihn in der Zwischenzeit finden?” Sie durfte sich nicht von dieser Frau entmutigen lassen.
Erneut trat Stille ein. Starr blickte sie Jenny an. Schließlich antwortete sie: “Er könnte unten im Hafen sein.”
“Dank…” Ehe Jenny das Wort aussprechen konnte, wurde ihr die massive Tür vor der Nase zugeschlagen.
Als sie sich umdrehte, murmelte Jenny: “Du benötigst Anstandslehre dringender als Harris Chisholm, du alte Krähe.”
Es brauchte einige Zeit, und das bedeutete noch mehr seltsame Blicke, bis Jenny den Weg zur Schiffswerft fand. Der Platz wirkte verlassen. Der Geruch von Sägemehl und Teer hing noch in der Luft und deutete das Treiben der vergangenen und kommenden Tage an.
Von seinem kurzen Aufenthalt bei den Brüdern Jardine hatte Harris ihr etwas über das Geschäft beigebracht. Wie sehr es gerade im Sommer langsam vorwärts ging, da die Arbeit in der Kolonie es erforderlich machte, sich zuerst um die Heuernte und die Farmen zu kümmern. Im kommenden Herbst würde man ein weiteres Schiff ausrüsten und unter Segel setzen, ehe das Eis den Fluss unpassierbar machte.
War der Boden gefroren, würden die Holzfäller in die Wälder ziehen, um große, alte Bäume zu fällen für den Bau von Kiel und Masten. Sobald im März das Eis schmolz, waren die Schiffswerften entlang des Ufers von geschäftigem Treiben erfüllt, um die ersten Schiffe des neuen Jahres für die Atlantiktaufe vorzubereiten.
Jenny holte tief Luft. Das war der Odem von Wohlstand.
Sie blickte hoch, als sie Männerstimmen vernahm, und sah Roderick Douglas, der aus einer großen Werfthalle kam. Er sprach mit einem kleineren Mann über etwas, was auf einem großen Bogen Papier stand.
“Ich sage Ihnen …” Es gab keinen Irrtum, dies war seine Stimme. Er deutete auf ein Boot. “Eine Bark wie diese liegt zu tief im Wasser, um …”
Als er Jenny bemerkte, zog er die gepflegten dunklen Augenbrauen hoch. “Kann ich Ihnen helfen, Miss?”
Einen Moment stand sie sprachlos da, als sie ihn nach fünf langen Jahren wiedersah. Er war in der Zwischenzeit noch stattlicher geworden. Seine mittelgroße Gestalt war noch gefälliger und wurde durch die gut geschnittene Kleidung betont. Die Sonne Amerikas hatte sein Gesicht gebräunt. Er war reifer geworden, sah männlicher aus und hatte nun die Ausstrahlung eines Erfolgsmenschen. Und sein Lächeln ließ Jenny immer noch erschauern.
Sie wollte etwas sagen, doch sie brachte keinen Ton heraus.
Endlich, in einem erneuten verzweifelten Versuch, stieß sie hervor: “Ich bin Jenny Lennox, erinnern Sie sich? Ich komme aus Dalbeattie und bin Ihre Braut.”
Er wirkte leicht irritiert.
Sie war nicht so, wie er es erwartet hatte. Er war enttäuscht von ihr.
“Braut?” Als er auf sie zukam, strahlte er, und ein charmantes Lächeln erhellte seine feinen Züge. “Janet – doch natürlich! Aber woher kommen Sie? Heute hat kein Schiff hier angelegt.”
Herzlich ergriff er ihre Hand. Für Jenny war es, als hätten sich bedrohlich dunkle Wolken verzogen. Wenn irgendetwas diesen wundervollen Augenblick krönen könnte, so war es Rodericks Bekenntnis: “Sie haben lange gebraucht mit Ihrer Ankunft. Ich war bereits außer mir, als ich mir ausmalte, was Ihnen zugestoßen sein mochte.”
Jenny holte Luft, um zu erklären, wie sie nach Chatham gekommen war, obwohl kein Schiff im Hafen angelegt hatte. Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, rief jemand ihren Namen.
Nicht irgendjemand – Harris.
Jenny zuckte bei seinem Anblick
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