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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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genügend Beweise, um ihn zu verhaften. Ich warte auf einen Haftbefehl für diesen Verdächtigen, aber ich habe keine Ahnung, ob er ausgestellt wird oder nicht. Es ist ja nicht so, dass ein Polizist einfach einen Richter anrufen und sagen kann: Ich glaube, das ist mein Kerl. Ich brauche einen dringenden Tatverdacht, wie man das nennt. Und was ein dringender Tatverdacht ist, ändert sich von Richter zu Richter. Manchmal gibt mir ein und derselbe Richter einen Haftbefehl in einem Fall, und in einem anderen, ganz ähnlichen nicht. Schwer zu erklären.«
    » Das ist doch beschissen. «
    Viel zu erwachsen. Aber ich korrigierte ihn nicht – das hatte Zeit bis zum nächsten Mal, wenn wir nicht gerade einen unserer »Augenblicke« hatten. »Ja, das ist wirklich beschissen. Ich rate dir, wenn du keine Lust auf Frust hast, dann werde kein Polizist.«
    »Ich finde deinen Job cool, Mom. Ich gebe bei meinen Freunden immer damit an.«
    Ich hätte am liebsten geweint. »Evan, das ist wirklich lieb von dir.«
    »Mir gefällt, dass du Polizistin bist. Mir gefällt, dass du die bösen Jungs einsperrst.«
    Ich hatte immer gehofft, ich könnte meine Kinder so erziehen, dass sie den Wert bedeutungsvoller Arbeit begriffen. Offensichtlich hatte ich es.
     
    Wohl zum ersten Mal seit Jahren deckte ich meinen Sohn zu und schaltete das Licht in seinem Zimmer aus. In der Einsamkeit, die mir nun blieb, ging ich zu meinem Computer und schrieb den Bericht über die bedeutungsvolle Arbeit dieses Nachmittags, da mir die Ereignisse noch frisch im Gedächtnis waren. Es wurde ein sorgfältig verfasstes Schriftstück, mit dem ich meine Position stützen wollte, die ich in diesem Fall eingenommen hatte: Wilbur Durand war der einzige Täter und hatte all diese Jungen entführt. Außerdem war da noch das kleine Problem der unberechtigten Spritztour in einem konfiszierten Fahrzeug, das jetzt dem Steuerzahler gehört, und hier gab es Erklärungsbedarf.
    Alle drei Jungen wurden von einem Mann angesprochen, der sich als Vertrauensperson des jeweiligen Opfers verkleidet hatte. Die Versuche fanden ungefähr im Stundenabstand statt; im Verlauf unserer Rekonstruktion der Ereignisse bestätigten wir, dass die Strecken zwischen den Tatorten auch bei dichterem Verkehr problemlos in weniger als fünfzehn Minuten bewältigt werden konnten, was dem Täter genügend Zeit gab, die Verkleidungen zu wechseln, sofern sie im Hinblick auf einen schnellen Wechsel vorbereitet wurden. Alle drei Jungen sind von ähnlicher Größe, ähnlichem Gewicht, ähnlicher Hautfarbe und ähnlichem Alter, entsprechend einem Opfermuster, das wir in einer Vielzahl von anderen Fällen, die vermutlich ebenfalls auf das Konto dieses Täters gehen, herausgearbeitet haben.
    Meine Ausbildung und meine Berufserfahrung haben mich zu dem Schluss geführt, dass dem Täter deutlich bewusst ist, von uns verfolgt zu werden, und dass er diese drei Opfer mit Absicht entkommen ließ, um die Ermittlungsbeamten zu verwirren und in die Irre zu führen. Die Versuche fanden in Gegenden statt, wo Zeugen eher unwahrscheinlich sind: Allerdings gab es in einem Fall eine Zeugin, die sich jedoch als unkooperativ erwies und vor Gericht als unzuverlässig erachtet werden könnte. Keins der Opfer war kräftig genug, um einem wirklich entschlossenen Entführer Widerstand leisten zu können, doch alle konnten sich dem Griff des Täters relativ problemlos und ohne großen Kampf entwinden, was die Theorie eines beabsichtigten Misslingens stützt.
    Er hätte sich zumindest einen schnappen können, wenn er wirklich gewollt hätte – falls er als Verkleidungen nur Masken und Perücken benutzt hatte, hätte er mehr als genug Zeit dafür gehabt. Die Jungen hatte übereinstimmend angegeben, dass er sie gezogen hatte, aber nicht fest genug, um sie ins Auto zu zerren, und dass sie den Eindruck gehabt hätten, der Mann hätte die Entführung nur gespielt und gar nicht die Absicht gehabt, sie zu vollenden.
    Ich wünschte mir, ich hätte das alles in meinen Antrag auf den Haftbefehl hineinschreiben können.
    Als ich am nächsten Morgen aufs Revier kam, sah ich, dass es keinen Unterschied gemacht hätte. Spence und Escobar standen links und rechts neben meinem Tisch und grinsten von einem Ohr zum andern.
    Ich hatte wieder mal den guten Richter bekommen.
    »Wir können uns auf die Socken machen«, sagte Spence.
    »Sieht so aus«, erwiderte ich ungläubig. »Die Frage ist jetzt nur: wohin? «

27
    Jean de Malestroit ließ mir die Nachricht

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