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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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bis tief in die Magengrube. Gott steh mir bei, dachte ich bei mir, das sind menschliche Knochen – vielleicht sogar die des schönen jungen Pagen. Und ich spuckte und spuckte, bis auch der letzte Rest dieses Geschmacks aus meinem Mund verschwunden war.
    Zur Veranschaulichung begann sie nun hier in der Kapelle zu spucken, doch plötzlich zitterte und taumelte sie wie von der Fallsucht gepackt. Sie zuckte erbärmlich, und nur das Weiße ihrer Augen war noch zu sehen.
    Wieder erhob sich Jean de Malestroit, doch bevor er sich ganz aufgerichtet hatte, kam sie bereits wieder zu sich.
    »Ach, meine Herren, verzeiht mir – ich leide an diesen Anfällen, und wenn ich beunruhigt bin, scheinen sie mich häufiger zu überkommen.«
    Argwohn und Besorgnis mischten sich auf Jean de Malestroits Gesicht. »Könnt Ihr fortfahren, Madame?«
    »Ja, das kann ich, Milord.«
    Nicht lange danach bemerkte ich, dass die Diener zurückkehrten, und huschte deshalb in mein Versteck hinter dem dichten Busch zurück. Es ängstigte mich zwar, dass ich so nahe am Haus war, aber es gab keine anderen Verstecke. Ich war vielleicht nur gut zwei Schritte von Monsieur Prelati entfernt, als er mit verschiedenen Gegenständen in den Armen aus dem Haus kam. Sämtliche konnte ich gut erkennen. Darunter war ein so kleines Hemd, dass es nur von einem Kinde stammen konnte. Es war mit feuchtem Blut und anderem Unrat befleckt. Er hielt es so weit von sich gestreckt, wie er nur konnte, kein Wunder, denn sogar ich im Busch konnte es riechen – ein entsetzlicher und fauliger Gestank, und ich dachte schon, dass ich mich noch einmal übergeben müsste. Aber ich unterdrückte die Galle, die mir aus der Kehle springen wollte, und schaute mir das Hemd genau an, als Prelati an meinem Versteck vorbeikam. Ich war froh, dass das Hemd nicht sprechen konnte – ich hätte gar nicht wissen wollen, wie ein so sauberer, von Blut umrahmter Schnitt in seine Vorderseite gekommen war.
    Ich hörte nichts mehr von dem, was die weiteren Zeugen an diesem Tag aussagten.
    Als ich Jean de Malestroit an diesem Abend aufsuchte, saß er allein in seinem Arbeitszimmer und starrte in das Licht einer einzelnen Kerze – kein herausragender Diplomat mehr, sondern ein schlichter Mann Gottes im Halbdunkel, der schwer über ein tiefes Glaubensproblem nachzugrübeln schien. Er hatte den Kopf auf beide Hände gestützt; anstelle seines gewohnten regelmäßigen Atems hörte ich tiefe, schwere Seufzer.
    Ich räusperte mich leise, um seine Aufmerksamkeit zu erregen. Es dauerte einige Herzschläge, bis seine Stirn sich straffte und sein Blick den meinen kreuzte.
    »Guillemette«, seufzte er. Zuneigung lag in seiner Stimme und auch ein wenig Erleichterung.
    »Störe ich Euch, Eminenz?«
    »Ich bin bereits tief verstört.«
    »Vielleicht wollt Ihr allein sein …«
    »Nein, bitte – um die Wahrheit zu sagen, ich wollte eben nach Euch schicken. Ich bin meiner eigenen Gedanken überdrüssig und sehne mich nach dem Klang einer anderen Stimme. Die Ablenkung Eurer Gesellschaft wäre mir im Augenblick höchst angenehm. Ich kann die Leute, mit denen ich diese Tage verbringen muss, auf den Tod nicht mehr ertragen, mich selbst eingeschlossen.«
    Er verbrachte seine Stunden mit jammernden Zeugen, die alle ein und dieselbe Geschichte wiederholten, und berechnenden Anwälten, von denen jeder hoffte, Herzog Jean mehr zu erfreuen als der andere. Kleinkrämerische Schreiber, die an jedem Wort hingen, das in der Kapelle gesprochen wurde, waren sein ständiger Umgang. Anwälte und Ankläger und Würdenträger umringten ihn, und alle suchten sie aus dem Ausgang dieses Prozesses eigenen Nutzen zu ziehen. Er hatte die beängstigende Aufgabe, dies alles in Gottes Namen zum Abschluss zu bringen. Sein Überdruss war mehr als verständlich.
    Aber wir beide wussten, dass es noch viel schlimmer sein könnte.
    »Stellt Euch nur vor, um wie viel qualvoller diese beiden Tage gewesen wären, hätte Milord uns mit seiner Anwesenheit beehrt«, sagte ich.
    Ein schwacher Trost. »Das kann man sich gar nicht vorstellen«, erwiderte er leise. »Und irgendwann wird er wieder erscheinen müssen. Ich weiß nicht, wie ich dann die Ordnung aufrechterhalten soll.«
    Am nächsten Tage sollten weitere Zeugen gehört werden, und man konnte getrost darauf wetten, dass Milord sich auch dann nicht zeigen würde. In gewisser Weise machte dies diese ganze unerquickliche Geschichte leichter erträglich, denn Gilles de Rais, Unzucht Treibender, Mörder und

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