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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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Herr Präsident befahl nun, besagten François Prelati wieder in die Kammer zu führen, in der er unter Bewachung gehalten wurde. Woraufhin Gilles de Rais sich mit Tränen und Schluchzen an Prelati wandte und zu ihm auf Französisch sagte: » Leb wohl, François, mein Freund. Nie wieder werden wir in dieser Welt uns treffen; ich bete, dass Gott dir Geduld und Verständnis gewährt, und wisse, so du nur Geduld und Gottvertrauen hast, werden wir uns wiedersehen in der großen Freude des Paradieses. Bete zu Gott für mich, und ich werde für dich beten! «
    Nachdem er dies gesagt hatte, umarmte er seinen Handlanger, der unverzüglich fortgeführt wurde.
    Mein Sohn und ich lasen gemeinsam eine der ersten Abschriften der Niederschrift von Milords Geständnis. Ich hatte sie erhalten von Jean de Malestroit, der, da er bei dem Geständnis selbst nicht anwesend war, ebenfalls eine besaß. Andere Abschriften wurden nun eiligst von einer kleinen Armee einberufener Schreiber verfertigt, die sich über ihre Pergamente beugten und die Wörter auf die Bögen setzten, so schnell ihre Finger es ihnen erlaubten.
    Ich seufzte schwer, als ich die trockenen, eintönigen Worte las.
    »Was mag dieses reumütig in der Beschreibung seines Geständnisses bedeuten? Weinte er, wie er es tat, als ich mit ihm über diese Dinge sprach, in ebenjenem Zimmer, in dem diese Worte aufgezeichnet wurden? Wenn ja, wird das in diesen Zeilen nicht erwähnt.«
    Er schüttelte den Kopf zum Zeichen, dass er auch nicht mehr wusste als ich. » Mère, du darfst nicht vergessen, dass diese Seiten nicht dazu da sind, die Feinheiten seines Martyriums wiederzugeben. Sie dienen dazu, jene, die seine Hinrichtung befohlen haben, vor der Rache von Milords Familie zu schützen, zu mehr nicht.«
    Die Entrüstung seiner Familie dürfte wahrscheinlich ebenso trocken und eintönig ausfallen. René de la Suze würde wohl kaum um seinen Bruder weinen, aber er würde sein Hemd zerreißen und sich mit Asche beschmieren, um die Besitztümer zurückzuerhalten, die Milord für seine Ausschweifungen vergeudet hatte. Die kleine Marie de Rais wusste kaum etwas über ihren Vater – bis auf das, was ihre Mutter ihr erzählte, die viele Gründe hatte, ihn zu hassen. War Gilles de Rais dort in seinen üppigen Gemächern nun schließlich doch zusammengebrochen?
    Ich konnte seine Stimme beinahe hören.
    »In diesen Worten spricht wieder das Kind Gilles. Diese Dinge, die er als Mann tat, waren nicht anders als die Dinge, die er in seiner Jugend tat, nur von schwerer wiegender Art.«
    Jean stand auf und ging ein paar Schritte von mir weg. Er ging zum Fenster und sah einige Augenblicke in den Hof hinunter. Sein Blick schien auf etwas gerichtet, doch ich wusste aus langen Jahren des Hinausstarrens aus diesem kleinen Fenster, dass es dort kaum etwas gab, das den Blick fesselte. Etwas in seinem Inneren beschäftigte ihn.
    »Wie gern wüsste ich, was du denkst, Sohn«, sagte ich leise.
    Ich hörte, wie er kräftig ausatmete und dann tief frische Luft in seine Lungen sog. Als er sich schließlich zu mir umdrehte, machte er ein besorgtes Gesicht. » Mère « , sagte er, »Milord hat in seiner Jugend viele sehr schwer wiegende Dinge getan. Ihr wisst nur nichts davon.«
    Ich versuchte zu lächeln. »Du hast mich erst kürzlich belehrt, dass Knaben viele Dinge vor den Frauen geheim halten, die sie lieben.«
    Ich hörte Scham in seiner Stimme, als er sagte: »In diesem Fall war es nicht nur Milord, der dies tat.«
    Ich spürte einen Knoten im Bauch. »Hast du mir etwas zu sagen, Jean?«
    »Ja, aber nicht über mich selbst, sondern über meinen lange toten Bruder.«
    »Michel? Was hat er getan, was er mir verschwieg?«
    Jean schwieg einen Augenblick, als könnte er die richtigen Worte nicht finden für das, was er mir sagen wollte.
    »Es ist so viele Jahre her«, sagte ich. »Es gibt nichts, was ich ihm nicht verzeihen könnte, oder dir.«
    »Es ist nichts, was er tat, sondern was ihm angetan wurde. Oder versucht.«
    Ich brauchte ein paar Herzschläge, bis ich anfing zu begreifen.
    »Fahr fort«, flüsterte ich.
    »Du weißt, dass es zu einer gewissen Zeit einen Zwist zwischen mir und Milord Gilles gab und dass ich nicht mehr in seiner Gesellschaft sein wollte.«
    »Ja. Eure Pfade trennten sich, und deine Interessen waren von seinen sehr verschieden. Aber ich habe das hingenommen als den natürlichen Lauf der …«
    Er fiel mir ins Wort. »Es war kein natürlicher Bruch, Mère. «
    »Dann sag mir,

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