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Die Schreckenskammer

Titel: Die Schreckenskammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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hatte es eher unter Androhung der Folter denn aus freiem Willen getan, wie es in der Niederschrift stand; das wahre Ausmaß seiner Feigheit würde die Welt nie erfahren. Jean hatte mir aus Sohnesliebe seine tiefsten Geheimnisse anvertraut, einer Liebe ähnlich der, die ihn im zarten Knabenalter gezwungen hatte, die Stellung seines Vaters auf eigene Kosten zu schützen. Er hatte erkannt, dass es nicht gut für mich wäre, mit einer solchen Wolke der Täuschung über meinem Kopf dereinst vor meinen Schöpfer zu treten.
    Den Gruß der Wachen nahm ich nur am Rande wahr. Soweit sie wussten, war ich keine Bedrohung für ihren Gefangenen. Der Türwächter hatte keinen Grund anzunehmen, dass ich versteckt Waffen bei mir trug, wie er es bei einem anderen Besucher hätte befürchten müssen. Er klopfte einfach nur dreimal mit seiner Lanze auf den Steinboden und entfernte sich.
    Gilles de Rais kam sogleich aus seinem Schlafgemach, als er dieses Signal hörte.
    Mit reiner Willenskraft zwang ich mich, ein normales Gesicht zu bewahren. »Milord«, sagte ich.
    »Ach, Mère « , sagte er. »Eure Stimme ist wie Gottes ureigene Gnade. Ich erfreue mich an jedem Ton, als wäre er der letzte, der meine Ohren berührte.«
    »Das ist klug.«
    »Eure Stimme war die erste, die ich hörte; ich würde nicht klagen, wenn es auch die letzte wäre.«
    Diesen Wunsch konnte ich ihm erfüllen. Ich musste mich sehr beherrschen, um nicht den Dolch mit perlenbesetztem Griff aus dem Ärmel zu ziehen und ihn auf der Stelle zu töten. Aber das Wissen, das ich suchte, würde dann mit ihm sterben, und ich würde nie wenigstens ein kleines Maß an Frieden finden.
    »Milord«, sagte ich. »Ich habe Euer Geständnis gelesen. Es erfreut mein Herz, dass Ihr Euch von dieser Last befreit habt.«
    »Es war nicht einfach«, sagte er. »Diesen Männern in die Augen zu sehen und darüber zu reden, was ich getan habe, nun, es hätte mir beinahe das Herz herausgerissen.«
    Mein Herz war hart; ich verspürte nicht einen Funken Mitleid.
    »Ihr spracht davon, mit Euren Taten etwa zu der Zeit begonnen zu haben, als Euer Großvater starb. Es überraschte mich, Milord, dies zu lesen.«
    »Ich bedaure es sehr, dass Ihr diese Dinge erfahren musstet, Mère Guillemette.«
    »Es ist in der Tat schwierig für mich. Ich muss mir eingestehen, dass mein Einfluss auf Euch zum Guten hin wohl stärker hätte sein müssen, als er es offensichtlich war.«
    »Ich war doch nur ein junger Mann, draufgängerisch und eigensinnig. Ihr dürft Euch keine Vorwürfe machen …«
    »Während dieses ganzen Verfahrens habe ich mein Versagen als Ursache für Euer fehlgeleitetes Verhalten betrachtet. Nun aber habe ich abgeschlossen mit diesen Selbstvorwürfen.« Ich griff in meinen Ärmel und zog den Creme-Topf heraus.
    Er senkte den Blick zu dem belastenden Gegenstand, und sein Gesicht wandelte sich von dem eines lügenden Kindes zu dem eines Diebes, den man mit der Hand in der Schublade ertappt hatte. Sein Unbehagen war mir ein Genuss. Aber es war noch nicht genug.
    »Ich werde Euch jetzt Gelegenheit geben, Euch noch weiter zu erleichtern«, sagte ich sehr gelassen.
    Sein Blick wanderte zu dem Topf und kreuzte dann wieder den meinen. Sein Gesicht wurde hart. »Es gibt nichts mehr zu sagen«, erwiderte er.
    »Lügner«, zischte ich. Der Teufel selbst sprach aus meiner Stimme, und Gilles de Rais hörte ihn. »Sagt mir jetzt alles, oder ich werde dafür sorgen, dass es sehr schlecht für Euch ausgeht.«
    Er wurde starr vor Verachtung, trotz meiner drohenden Art. Dieser Krieger war nicht leicht von seinem hohen Ross zu reißen. »Mit welcher Macht?«, höhnte er. »Nur meine Richter können jetzt mein Schicksal bestimmen.«
    »Ohne mich hättet Ihr überhaupt keine Richter.«
    Er starrte mich verständnislos an.
    »Es mag Euch überraschen, mein Sohn, aber ich war es, die den Anstoß gab für diese ganze Untersuchung. Natürlich wusste ich damals nicht, wohin sie führen würde. Aber Eure Richter stehen in meiner Schuld, denn ohne meine Wissbegierde hätten sie nie die Gelegenheit erlangt, Euch diesem Martyrium zu unterwerfen. Ich war diejenige, die zu Madame le Barbier ging, als sie über ihren Verlust klagte, und ich ging nach Bourgneuf …«
    Sprachlos hörte er sich meine Aufzählung an. Als ich zum Ende kam, konnte ich ein Lächeln nicht unterdrücken. Ich war nicht verpflichtet, ihm zu sagen, dass nur Jean de Malestroit von meiner Beteiligung wusste und er mir zuliebe keinen Buchstaben einer

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