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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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übergab sich wieder.
Aber der Magen war leer. Alles, was herauskam, war ein
häßliches, schnarrendes Stöhnen, das mich an ein Tier mit dem
Fuß in einer Schlinge erinnerte.
Ich konnte nicht verhindern, daß auch mein Magen ein klein
wenig rumorte. »Willst du darüber reden?«
Sie sah mich verständnislos an. »Reden? Was zum Kuckuck
hilft das denn, hä?«
›Willst du vielleicht, daß ich zurückgehe und Kenneth Persen
die Fresse poliere? Ist es das, was du erwartest?‹ »Setz dich rein,
Astrid –«
Mit steifen Bewegungen tat sie, was ich ihr gesagt hatte. Ich
schloß die Tür hinter ihr, ging um den Wagen herum auf die
Fahrerseite, schloß auf und setzte mich ans Steuer.
Unsere Blicke trafen sich. Für einen Augenblick blitzte ein
Funken gegenseitigen Verständnisses zwischen uns auf, wie bei
Vater und Tochter, die sich endlich in einem gemeinsamen
Schicksal ausgesöhnt haben. Dann bewölkte sich ihr Blick
wieder, und ihr Gesicht verschloß sich.
Ich sah an ihr vorbei. »Noch sind zehn Minuten Zeit, bis die
Parkuhr abläuft. Wollen wir hier sitzen bleiben, oder soll ich
dich gleich nach Hause fahren?«
Sie rückte energisch von mir ab. »Nach Haus’? Ich will nich’
nach Haus’!«
»Deine Mutter macht sich Sorgen um dich, Astrid.«
»Das tut sie nich’. Sie haßt mich!«
»Das tut sie ni …«
»Du weißt nich’, was passiert is’!«
»Doch, ich weiß es. Alles.«
»Was?! Hat sie das erzählt?« Sie sah mich mit weit aufgerissenen Augen an.
Ich nickte. »Sie ist deine Mutter, Astrid. Du kannst doch nicht
glauben, daß sie sich nicht um dich sorgt.«
»Aber nach dem, was ich …«
»Sie ist ja noch so jung, im Vergleich zu … Du mußt verstehen, daß sie geplatzt ist, aber sie hat dir jetzt verziehen, das
garantiere ich dir. Es hat dich doch nicht gewundert, daß sie
stinksauer wurde?«
Ihr Blick wich meinem aus. »Es war nich’ so, wie sie … Ich
hab ja noch geschlaf’n! Plötzlich war er bei mir im Bett und …
Ich hab ja versucht, mich zu wehr’n, natürlich, aber … Das is’
nich’ so leicht – Er is’ stark.«
»Du kannst ihn wegen Vergewaltigung anzeigen.«
»Ha, ha, ha! Und wer würd mir glaub’n, meinste? Ich hör
schon Gerd im Zeugenstand …«
»Ich glaube dir, Astrid. Und wenn du es ihr erklärst, richtig,
dann bin ich sicher, deine Mutter tut es auch.«
»Gerd …«, sagte sie, fast mit einer Art Verwunderung in der
Stimme.
»Hat er das schon öfter getan, Astrid?«
»Was glaubst’n du? Wenn sie nur aus’m Zimmer ging, fing er
an zu fummeln! Er wußte ja, wo er mich hatte, wo ich doch auf
der sichern Liste steh!«
»Auf der ›Sicheren Liste‹?«
»Ja! Wieso glaubste, stehn wir wohl so hoch im Kurs? Hä?«
»Du meinst – daß ihr auf einer Liste steht?«
»Nich’ nur ich! Torild auch!«
»Und diese Liste – die beinhaltete – was, Astrid?«
»Beinhaltete?«
»Ja, na gut – bedeutete was?«
»Na, daß wir sicher waren, eben! Daß wir keine Krankheiten
hatten.«
»Ich verstehe. Wurdet ihr von einem Arzt untersucht?«
Sie sah zur Seite. »Einmal im Monat. Ich konnte das nich’
aussteh’n, aber wir kriegten halt besser bezahlt.«
Die Antwort legte sich wie ein Eisenring um meinen Kopf. Als
handelte es sich um nichts anderes als einen Sommerjob in
einem Souvenirgeschäft.
Ich mußte Anlauf nehmen, um weiterzusprechen. »Und wie
heißt der Betriebsarzt?«
»Doktor Evensen. Er hat ’ne Praxis in der Strandgate.«
»Ja, kamt ihr denn da zu den normalen Sprechzeiten hin?«
»Nein, immer abends. Und es war’n nie andre da.«
»Und dieser Doktor Evensen, hat er euch nur untersucht,
oder?«
»Nich’ nur. Aber es war nich’ immer, daß er – daß wir – na,
du verstehst schon!«
»Ich fürchte, ja. Und … und wer hat das Ganze organisiert?«
Sie senkte den Blick. »Das war der K-K-Kenneth, der hat mich
überredet. Er hat gesagt – man kann so viel Kohle damit
machen.«
Sie zog eine angeekelte Grimasse. »So leicht verdientes Geld
… Sich einfach auf’n Rücken legen und die Augen zumachen,
sozusagen.«
»Hör zu, Astrid. Ich weiß, daß es nicht so einfach ist, darüber
zu reden. Aber das meiste weiß ich schon – Ihr wurdet angerufen, im Jimmy, stimmt’s?«
»Wir wurden nich’ angerufen!«
»Nein, okay, aber ihr bekamt den Auftrag im Jimmy, oder?
Kalle hinter der Theke. Du weißt, daß er der Bruder von
Kenneth ist?«
»Mmh …«
»Und dann – seid ihr einfach angetreten?«
Sie nickte.
»Und wo?«
»… Das war

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