Die Schrift an der Wand
und sie zur Beerdigung
eingeladen.
36
»Ein Mann?«
»Ja.« Sie sah mich unglücklich an. »Er sagte, er riefe vom
Beerdigungsinstitut aus an, aber er klang nicht so.«
»Bergenser?«
»Ja. Vielleicht von etwas außerhalb, aber ich bin nicht sicher.
Ich meine, es klang irgendwie – wie nicht so ganz …«
»Wann war das?«
»Vor einer halben Stunde.«
»Was hat er gesagt? Kannst du es so exakt wie möglich wiedergeben?«
»Er … Es klingelte, und ich nahm ab. Ein Mann fragte: ›Spreche ich mit Karin Bjørge?‹ ›Ja‹, sagte ich. ›Du bist eine
Bekannte von Varg Veum, stimmt das?‹ Mir wurde ganz eiskalt,
Varg, ich war überzeugt, daß was passiert war! ›Ich bin vom
Nedre-Nygard-Beerdigungsinstitut‹, sagte er. Ich wäre beinahe
ohnmächtig geworden, Varg!«
»Nedre Nygård? Es gibt kein Beerdigungsinstitut Nedre
Nygård, soweit ich weiß.«
»Das hat er jedenfalls gesagt. Es hätte natürlich ›Brødrene‹
sein können –«
»Brødrene Nygård?«
Sie nickte.
»Tja …« Ich gab ihr ein Zeichen, daß sie fortfahren solle.
»Und dann sagte er: ›Wir haben den Auftrag, alle Freunde und
Bekannten Veums anzurufen, um ihnen mitzuteilen, daß die
Beerdigung am Montag um dreizehn Uhr in der Kapelle der
Hoffnung in Møllendal stattfindet.‹«
»Dann gibt es jedenfalls Hoffnung.«
»Da begriff ich ja, daß es nur ein … daß es nicht sein konnte –
Also fragte ich ihn so ruhig ich konnte nach seinem Namen …«
»Und?«
»Aber da legte er einfach auf. Ich stand da mit dem Telefonhörer in der Hand. Ganz benommen. Es war grauenhaft, Varg!
Kannst du mir sagen, was da vor sich geht?«
Ich drückte sie an mich und murmelte ihr ins Ohr: »Das sind
nur leere Drohungen, Karin. Vergiß es einfach. So was gehört
eben dazu in dieser – in meiner Branche.«
»Dann solltest du dir vielleicht eine andere Branche suchen?«
»Ich werde dir alles erzählen.« Und dann erzählte ich ihr von
dem Anruf mit der Orgelmusik und von der Todesanzeige, die
ich mit der Post bekommen hatte, und während ich sprach,
spürte ich, wie sich in mir eine Wut aufbaute, ein Drang,
herauszufinden, wer das war, der sich nicht mehr damit begnügte, mich persönlich zu bedrohen, sondern auch die Menschen,
die mir am nächsten standen, und wenn ich es herausfände, dann
würde der Betreffende eine gute Deckung brauchen, denn es
würde ein harter Kampf werden, ohne eingeplante Auszeiten.
Sie sah mich mit großen Augen an. »Stand da wirklich – stand
da auch ein Datum in der Anzeige?«
Ich sah auf die Uhr. Es war mittlerweile fünf nach halb zwölf.
»Morgen«, sagte ich ruhig. »Es ist ja ein Mittwoch, so gesehen
paßt es wohl gut, wenn die Beerdigung am Montag ist.«
»Mach’ keine Witze mit so was, Varg! Hast du … hast du mit
der Polizei geredet?«
»Ja. Sie können nicht viel tun.«
»Aber könntest du nicht einen – einen bekommen, der auf dich
aufpaßt?«
»Ich fürchte, dafür erscheint ihnen das Risiko, daß was passieren könnte, nicht groß genug. Polizisten sind oft selbst solchen
Drohungen ausgesetzt. Wenn sie all so was ernst nehmen
würden, hätten sie mehr damit zu tun, aufeinander aufzupassen,
als die Gesellschaft um sich herum einigermaßen im Auge zu
behalten.«
»Aber was … Hast du was Besonderes auf dem Programm
morgen?«
»Ich muß nach Stavanger.«
»Nach Stavanger?«
»Hast du was rausbekommen zu meinen Fragen?«
»Ja, ich – hab es hier …« Sie ging zum Wandregal und holte
ein paar Papiere. »Ich habe Ausdrucke gemacht. Hier hast du
…«
Sie setzte sich neben mich, und ich beugte mich über das erste
Blatt.
»Hier«, sagte sie. »Birger Bjellands Mutter, Kathrine Haugane
–«
»Haugane?«
»Ja, so heißt sie. Geboren 1912. Und hier. Vater unbekannt.«
»Aha!«
»Jetzt lebt sie in einem Pflegeheim. Seelenfrieden.«
»Klingt sehr nach Stavangergegend.«
»Birger Bjelland selbst ist 1945 geboren. Und dann gibt es
offensichtlich noch eine Schwester, Laura Haugane Nielsen,
geboren 1948. Verheiratet mit Ove Nielsen.«
»Aha.«
»Und hier ist der andere …«
»Hier haben wir Messer, ja. Harry Hopsland, geboren 1940.
Außer Landes gezogen 1981. Zurück letztes Jahr. Adresse im
Nordre Skogvei. Sohn Ole Hopsland, geboren 1971. Mutter –
was steht da?«
»Grete Pedersen, umgezogen nach Førde 1978. Sie waren nie
verheiratet. Aber der Sohn wohnt noch immer in Bergen.«
»Ja, genau. Du hast sogar rausgefunden, wo er arbeitet?«
»Ja, ich … Digi-Data. Eine Computerfirma,
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