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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Konto zu belasten.
    Nach ungefähr einer halben Stunde hielt ein Taxi vor dem
Hoteleingang. Die Tür wurde geöffnet und das gutgekleidete
Wiesel lief mit gegen den Wind gebeugtem Oberkörper zu dem
Wagen. Ein Auftrag wurde erteilt, das Taxi blinkte und bog an
der nächsten Kreuzung rechts ab.
    Eine halbe Stunde später tauchte eine Gestalt in der Tür zum
Hinterhof auf. Dann krümmte sie sich plötzlich zusammen,
lehnte sich an die Wand und zog sich wieder zurück.
Ich sah mich nach beiden Seiten um, kontrollierte die Eingangstür und überquerte die Straße in einer Diagonalen, die
direkt in den Hinterhof führte.
    Astrid Nikolaisen stand zusammengekrümmt und übergab sich
hinter drei Abfalltonnen. Ihr Haar war zerzaust, die Kleider
sahen aus, als hätte sie sie in großer Eile übergezogen, und sie
war graubleich im Gesicht. Die unterdrückten Laute, die sie
ausstieß, erinnerten an das Grunzen eines halberstickten Tieres,
und sie machte ruckartige, fast spastische Bewegungen mit den
Händen, während sie sich mit einer Schulter und dem Oberarm
an der Wand abstützte.
    Ich umfaßte sie vorsichtig. »Astrid, ich …«
Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie geschlagen. Ihr Blick
war schwarz und leer. »Faß mich nicht an!« zischte sie. »Laß
mich!«
Ich hörte, wie hinten im Hof ein Fenster geöffnet wurde und
zwei Stimmen aufgeregt miteinander sprachen, und danach
wurde das Fenster laut wieder zugeschlagen.
Ich faßte sie am Oberarm. »Komm, Astrid! Ich will dir doch
helfen! Erinnerst du dich nicht an mich? Ich bin Veum –«
Sie versuchte, sich aufzurichten. Dann wischte sie sich mit
dem Handrücken den Mund ab, spuckte grün und sah mich mit
neuen Augen an. »Doch«, murmelte sie.
Hinten im Hof schlug eine Tür. »Astrid? Bist du hier?« rief
Kenneth Persen von dort.
Ich zog sie, und sie folgte mir widerwillig auf die Straße und
den Hügel hinunter zu den stärker bevölkerten Straßen im
Zentrum.
Als wir zehn, fünfzehn Meter vom Hotel entfernt waren, hörte
ich seine Stimme wieder: »Veum! Verdammte Scheiße!!!«
    Ich schob sie vor mir her. »Um die Ecke und die nächste
Seitenstraße bergauf. Der graue Toyota bei der zweiten Parkuhr.
Warte da auf mich.«
    Dann drehte ich mich um und baute mich mit erhobenen
Fäusten in Verteidigungsposition auf.
Kenneth Persen blieb abrupt stehen. Er sah sich um, als wäge
er ab, welche Möglichkeiten er hätte, mich zu kriegen, ohne
aufzufallen. Aber es waren schon Leute auf der anderen Straßenseite stehengeblieben, um uns zuzusehen. Ein paar Straßen
weiter entfernt rief eine Handvoll Jugendlicher: »Mehr Blut!
Mehr Blut!«, gefolgt von schallendem Gelächter.
Mit gedämpfter Stimme sagte er: »Das wird dir noch leid tun,
Veum! Sie gehört mir, verstehst du?«
»Besser, als dir lieb sein kann!«
»Das letzte Wort is’ noch nich’ gefallen!«
»Nein?«
Er starrte mich grimmig an. Dann machte er mit der Rechten
eine brutale Handbewegung, als täte er etwas sehr Drastisches
mit mir, kehrte uns den Rücken zu und ging breitbeinig wieder
zurück zum Hotel.
Die Jugendlichen waren jetzt näher gekommen und zollten den
Darstellern ihren ungeteilten Applaus. Die Leute auf der anderen
Straßenseite hatten sich langsam in Bewegung gesetzt, einige
mit neugierigen Blicken in meine Richtung, andere mit deutlichen Anzeichen von Enttäuschung, daß die Show schon vorbei
war.
Ich selbst drehte mich schnell um und ging hinter Astrid
Nikolaisen her, in der Hoffnung, daß sie die Gelegenheit nicht
genutzt hatte, um abzuhauen.
Überraschenderweise stand sie an mein Auto gelehnt, die
Unterarme auf dem Autodach und den Kopf in den Händen.
Ich lächelte ihr beruhigend zu. »Alles in Ordnung.« Ich holte
den Autoschlüssel hervor und öffnete die Tür. »Na komm …
Setz dich rein.«
Sie sah mich aus rotumrandeten Augen an. Die Schminke war
verlaufen und hatte Zebrastreifen auf ihre fahlen Wangen
gemalt. Ihre Kleidung war noch immer in Unordnung. Ein heller
Blusenzipfel guckte unter der kurzen Fliegerjacke hervor, und
aus einer Jackentasche hing etwas, das an den Träger eines
schwarzen BHs erinnerte. »Die alten Schweine«, maulte sie
zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Was die
verlangen, da fällt dir echt nix mehr zu ein, ey! Ich kotze!«
»Das hab ich gesehen.«
Sie hielt Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein paar
Zentimeter auseinander hoch. »Solche kleinen Würstchen! Und
dann woll’n sie, daß wir, daß ich …« Sie

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