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Die Schrift an der Wand

Die Schrift an der Wand

Titel: Die Schrift an der Wand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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Ibsens Gate nach Haukeland hinauf und von dort
aus dem Nattlandsvei bis Mannsverk. Wir hatten nichts mehr zu
bereden.
Ich parkte vor dem Hochhaus und sagte: »Ich bring dich rauf.«
»Das is’ nich’ nötig!«
»Ich tue es trotzdem.«
»Na gut!« antwortete sie und schlug die Autotür hart hinter
sich zu.
Wir gingen ins Haus, drückten auf den Knopf beim Fahrstuhl
und warteten.
»Bist du bereit, alles, was du mir heute abend erzählt hast, bei
der Polizei zu wiederholen?«
Sie zuckte mürrisch mit den Schultern. »Vielleicht.«
»Wir können ihn hinter Gitter bringen. Ist dir das klar?«
Eine vage Angst tauchte in ihren Augen auf. »Aber – was
glaubst du denn, was er dann macht?«
»Er wird nichts mehr machen können, Astrid.«
Der Fahrstuhl kam und wir stiegen ein.
Sie drückte auf einen Knopf. »Aber wenn er wieder rauskommt?«
»Dann befördern wir ihn wieder rein.«
»Dann befördern wir ihn wieder rein!« äffte sie mich nach.
»Aber dann sind Gerd und ich tot, vielleicht – haste daran
gedacht, du Klugscheißer?«
»Gewöhnlich kommt es nicht so weit. Meistens sind das nur
leere Drohungen.«
»Meistens ja! Und was ist mit dem einen Mal, wo sie nich’
leer sind?«
Tja, was war damit? Galt das vielleicht auch für mich?
Wir waren oben, stiegen aus dem Fahrstuhl und gingen über
die äußere Veranda. Sie klingelte selbst.
»Hast du keinen Schlüssel?«
»Hab ich vergessen.«
Gerd Nikolaisen öffnete. Ihre Lippen waren jetzt weniger
geschwollen, aber sie zeugten noch deutlich von der Mißhandlung. Die Schwellung um das Auge war zurückgegangen, statt
dessen war das Blau besser zu erkennen als beim letzten Mal,
trotz der dicken Schminkschicht.
Einen Augenblick standen die beiden nur da und sahen einander an.
Dann platzte Astrid heraus: »Gerd! Was is’ denn -! War das
Kenneth?«
Die Mutter nickte. Ihr Gesicht war eine starre Maske, aber sie
hatte Tränen in den Augen, und am Hals flammte das Blut unter
ihrer Haut auf.
»Oh, Gerd!« Sie warf sich ihr um den Hals.
Ich wandte mich ab, weil das hier zu privat war, als daß es
mich etwas anging. Wenn ich den Blick hob, sah ich an Landås
vorbei und an Ulriken hinauf, wo der Fernsehmast dastand wie
ein flutlichtbeschienener erhobener Zeigefinger, der uns allen
sagte: Der große Bruder sieht dich. Wenn du dich nicht anständig benimmst, dann holen dich die Nachrichten.
»Braucht ihr mich noch?« fragte ich.
Sie sahen mich an, als hätten sie vergessen, daß ich da war.
Die Mutter sagte: »Nein. Danke, daß du sie gefunden hast.« Die
Tochter schüttelte nur den Kopf.
»Ihr solltet euch mal richtig über alles aussprechen.« Ich sah
zu Astrid. »Und ich erzähle der Polizei, was du mir erzählt
hast.«
Gerd Nikolaisens Gesichtsausdruck veränderte sich plötzlich.
Mit einer Bewegung schob sie die Tochter hinter sich und trat
ganz auf die Veranda heraus. »Ich will nicht, daß die Polizei
sich da einmischt, Veum! Das hier ist eine Privatangelegenheit,
die … auch wir haben ein Privatleben!«
»Ich verstehe, aber Astrid hat mir gerade erzählt, daß …«
»Astrid!« Sie drehte sich zur Tochter um. »Du willst doch
auch nicht, daß er was davon weitererzählt, oder?«
Astrid sah zögernd von ihrer Mutter zu mir. »N-nein, wenn du
…«
»Hier geht es nicht um dein Privatleben«, sagte ich zur Mutter.
»Es geht darum, was deine Tochter das letzte halbe Jahr
getrieben hat. Dies ist von Bedeutung für einen Mordfall! Es hat
keinen Sinn, das unter den Teppich kehren zu wollen!«
»Wir streiten alles ab! Wir sagen kein Wort mehr! Stimmt’s,
Astrid?« Sie wandte sich an ihre Tochter, um Unterstützung zu
bekommen.
Astrid Nikolaisen nickte matt, zuckte mit den Schultern und
sah mich nicht mehr an, sondern ging in die Wohnung.
Gerd Nikolaisen sah mir triumphierend ins Gesicht. »Na
also!« sagte sie entschieden, folgte ihrer Tochter und schlug die
Tür so heftig zu, daß ich fast erwartete, die Nachbarn würden
ihre Türen öffnen, um zu sehen, was da vor sich ging. Aber
wenn ich nachdachte, dann – nein, wohl eher nicht. An so was
waren sie wahrscheinlich gewöhnt.
Als ich mich ins Auto setzte, sah ich wieder auf die Uhr. Fünf
vor elf. Fløyenbakken wartete.
Ich sah mich gründlich um, bevor ich den Wagen vor dem
flachen Block parkte, in dem Karin wohnte. Aber es war kein
lebendiges Wesen zu sehen. Nicht einmal ein lüsterner Kater.
Karin war noch wach und erwartete mich mit einer Furche auf
der Stirn. Irgend jemand hatte angerufen

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