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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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überließ sie ihm.
    Jópál ging hinaus. Man hörte, dass der Wagen in den Hof fuhr.
    »Die Herren möchten mir verzeihen«, sagte Minya. »Er ist mein Neffe, dieser Junge, András Jópál. Ein sehr gescheiter, sehr studierter Junge.« Dann musste er dem Ärger doch Luft machen: »Er könnte schon längst Lehrer sein, aber er hat keine Prüfungen abgelegt. Irgendein Rappel ist über ihn gekommen. Er will die Flugmaschine erfinden. So ein Blödsinn. Und jetzt ist er wieder ohne Stelle.«
    »Wir haben ihn gestern bei den Laczóks gesehen.«
    »Von dort kommt er. Man hat ihn anscheinend fortgejagt. Geld hatte er nicht einmal für den Fuhrmann. Doch er behauptet, er habe die Leute dort stehenlassen. Eh, närrisch ist dieser Junge!« Der Greis erhob sich zornig und spähte durch die offen gebliebene Tür hinaus. Aus dem Korb des kleinen Leiterwagens ragten bleistiftdünne Latten, zerrissene Drähte und klafterlange Papierrollen, ausgespannte Leinenflächen strebten als Flügel auseinander, als hätte man einen riesigen toten Schmetterling in den Wagen geworfen.
    »Da haben wir’s. Das ist das berühmte Modell, wie er es nennt. Das wenige Geld, das ich ihm zustecken kann, gibt er ganz dafür aus.« Der alte Minya drehte sich und durchschritt den Raum. »Und selbst wenn er die Erfindung machen sollte, so frage ich, was wäre sie wert? Wozu? Die Menschen würden einander selbst aus der Luft nur umbringen.«
    Bálint wollte widersprechen, doch der Alte ließ es nicht zu: »Wenn das Menschentier etwas erfindet, braucht es das immer nur zum Morden. Aus dem Eisen machte es Keulen und Schwerter, aus der Bronze Kanonen. Und mit dem Schießpulver sprengen sie nicht Felsen, sondern vernichten einander – mehr denn je!«
    Er winkte ab, trat zum Lehnstuhl und ließ sich schwer fallen. Mit einem Mal schien es, als habe ihn das volle Gewicht des Alters niedergedrückt. In sich versunken saß er da, die Gäste hatte er vergessen. »Es ist Zeit für mich, dass ich fortgehe«, murmelte er, »höchste Zeit!« Und er starrte vor sich hin.
    Die jungen Leute verabschiedeten sich mit wenig Worten, doch der alte Schauspieler bemerkte sie kaum.

    Bálint begleitete seinen Freund nur bis zum Hügel hinauf. Auf dem Weg, den sie stumm zurücklegten, beschloss er, jetzt gleich zum Haus Minya Gáls zurückzukehren und mit dem Neffen zu reden. Er wollte ihm helfen. Dies war stets die erste Neigung, die in ihm erwachte, wenn er von Not hörte. Schon im Theresianum, wo er in Algebra der Beste war, kam bei schriftlichen Aufgaben die halbe Klasse nur dank ihm zum Ziel. Einige Male erging es ihm deswegen beinahe schlecht. Die Hilfsbereitschaft lag in seiner Natur. Vielleicht hatte er die Eigenschaft vom Großvater geerbt, der jedermann so selbstlos unterstützte, oder vielleicht wirkte auch ein Atavismus mit aus der Zeit, in welcher der Adelsstand dem Komitat, der Kirche oder dem Land nach bestem Wissen, doch ohne Entgelt – honoris causa – gedient hatte.
    László ging also allein den Weg hinunter in die Stadt. Bálint kehrte um. András Jópál war unterdessen dabei, das entzweigebrochene Modell aus dem Wagen zu räumen. Er ärgerte sich, denn er versuchte vergeblich, sich einzureden, dass er so hatte handeln müssen; eine Stimme sagte ihm trotzdem, dass ohne seinen heftigen Zornanfall dort im Turmzimmer alles ein anderes Ende hätte nehmen können.
    In Vársiklód hatte sich nämlich Folgendes abgespielt. Jenő Laczók war nach fünf Uhr ins Bett gekommen. Um neun Uhr fand er keinen Schlaf mehr. So erhob er sich – verärgert, weil er nicht genug geschlafen hatte. Es gelang ihm kaum, von der schläfrigen Köchin nach vielem Rufen das Frühstück zu bekommen. Der Kaffee war kalt, das Ei nicht richtig gekocht. Das steigerte noch seinen Zorn, da er – sonst ein gemütvoller Mann – sich wegen eines schlechten Frühstücks stets ungemein aufregte. Er begab sich zum Stall. Die Pferdeburschen und der Kutscher lagen wie Leichen im Stroh. Er ging hinüber in die Küche. Niemand. Die Köchin, wie es schien, hatte sich wieder hingelegt. Er setzte den Weg fort in den Blumengarten. Kein Gärtnergehilfe weit und breit, kein Türsteher. Er fand niemanden, an dem er seinen Zorn hätte auslassen können. Da fiel ihm ein, dass seine Söhne die Nacht nicht durchgemacht hatten. Sie mussten wach sein. Er spazierte also bis zur Eckbastei auf der rechten Seite, in der sich im Erdgeschoss das Studierzimmer der Burschen befand, während im Raum im oberen Stock Jópál

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