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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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dieses Haus gekauft. Denn ich war kein solcher Schlawiner wie all die anderen. Vielleicht war ich deswegen ein schlechter Schauspieler. Seither werkle ich als Gärtner und als Weinbauer. Davon verstehe ich sogar etwas.«
    »Du, Julis!«, wandte er sich an die kleine Verwandte, die den Zwetschgenschnaps gerade vorsetzte, »geh, hol für die jungen Herren ein wenig reife Burgundertrauben, du weißt, von dort links!«
    Julis eilte. Der Alte fuhr fort: »Ein Narr, der versucht, was er nicht versteht.« Doch in seiner Stimme klang immer noch eine leise Bitterkeit. László wollte dem Gespräch eine andere Wendung geben und fragte nach der Geige, die ihm schon beim Betreten des Raums aufgefallen war.
    »Die Geige dort?«, erwiderte Minya, »die bewahre ich nur als Erinnerungsstück. Der gnädige Herr Abády hat sie mir anvertraut, der Großvater des jungen Herrn. Wann war das bloß? 37 oder 38? Nein, doch eher 37. Ich hatte geglaubt, er gebe sie mir nur zum Aufbewahren, aber er wollte sie später nicht zurücknehmen, sooft ich es ihm auch anbot. Er spielte danach nie mehr.«
    Bálint wunderte sich: »Ich habe gar nicht gewusst, dass sich Großvater auch in der Musik auskannte. Darüber hat er niemals gesprochen.«
    »Oh! Er spielte wunderbar. Nicht Zigeunerlieder und so, sondern Bach und Mozart oder was sonst. Aus Noten, das konnte er auch.«
    »Kann ich sie mir anschauen?«, fragte László und ging zur Wand auf der anderen Seite. »Darf ich sie herunternehmen?«
    »Natürlich, nur zu.«
    »Aber das ist ja ein erstklassiges Instrument. Ach, wie schön, welch edle Form!«, und Gyerőffy brachte die Violine zum Tisch, legte sie hin und begann sie wieder zu mustern.
    »Ja, das ist seine Geige. Er spielte wunderbar. Er hatte damit schon im Kollegium musiziert. Ich sang. Hatte einen Bariton. Der auch, tja, wo ist er hin? Später … gewiss hatte er viel gelernt und geübt … da war er schon ein richtiger Künstler, ein echter … damals, als ich nach Klausenburg zurückkam. Das war im Herbst 36, ich kam mit Szerdahelyi … Ja, das war damals. In jenem Winter ging er jeden Abend … fast jeden Abend, wenn es keinen Ball oder dergleichen gab, da ging er … jeden Abend insgeheim dorthin. Wie schön die junge Frau war! … Manchmal luden sie auch mich ein, sonst niemanden, niemals, nur mich. Denn sie wussten, dass ich nicht plauderte …«
    Der alte Schauspieler schwieg für einen Augenblick. Er beugte sich vor. Das aufgeknöpfte Hemd öffnete sich leicht über seiner breiten Brust, dichte, graue Haare kamen zum Vorschein. Er streckte seine alte, knotige Hand nach der Geige aus, ergriff sie aber nicht, sondern strich nur über die Kanten.
    Bálint zögerte. Er hätte den alten Mann gern darum gebeten, weiterzusprechen, doch empfand er es irgendwie als Sakrileg, nach der Liebesvergangenheit des Großvaters zu forschen. László brachte ihn dazu, mit der Erzählung fortzufahren. »Er spielte wohl mit Klavierbegleitung?«, fragte er.
    »Ja, ja, mit Klavierbegleitung, natürlich.«
    »Und die, die ihn begleitete …?«
    Der Greis hob abwehrend den Finger. Er glaubte, Gyerőffy habe den Namen der Frau erfahren wollen. Das nicht! Das niemals! So viel bedeutete die Handbewegung. Dann, als erschienen Visionen vor seinen bleichen Augen, begann er stockend zu erzählen. Er folgte den verwickelten Pfaden seiner Erinnerungen, sprach eher zu sich selbst, nicht zu den Besuchern. Er berichtete verworren, verirrte sich in kaum mehr verstehbare Einzelheiten, Namen von einstigen Schauspielern, Titel dieses oder jenes Stücks oder Daten leuchteten für einen Augenblick auf und verschwanden wieder – ohne Zusammenhang für die Zuhörer, denn die Verbindungen bestanden nur noch in der Phantasie des Alten, für ihn waren sie immer noch lebendig und wohlbekannt. In diesem bruchstückhaften Monolog klang dennoch ein totgeschwiegenes Drama nach, das sich sieben Jahrzehnte zuvor nicht auf der Bühne, sondern im Leben abgespielt hatte. Irgendein romantisches, leidenschaftliches Geheimnis lag hinter den zerfallenden Sätzen versteckt. Und obwohl der alte Gál all das wohl wie eine Vision vor sich sah, sprach er den Namen der Frau doch nie aus, er verriet nicht einmal, ob sie eine Hochadelige oder eine Schauspielerin gewesen war. Selbst jetzt, da man die Träger der Rollen schon längst begraben hatte, bewahrte er treu das Geheimnis, das außer ihm nun keiner mehr kannte. Und man spürte, dass er sich im Bericht allmählich der Katastrophe näherte. Seine

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