Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
Vom Netzwerk:
Vorbaus und zeichnete mit einem Stück Holz Linien auf den Lehmboden, die das Verhältnis zwischen der Flügeloberfläche und ihrer Belastung beim Kranich, dem Falken und der Schwalbe darstellen sollten, und daneben notierte er gleich die algebraischen Werte. Schon war der ganze Boden von Zeichnungen der Formen und von Buchstaben bedeckt. Die Augen Jópáls blinkten, seine mächtige Stirn füllte sich mit senkrechten Falten.
    »Und auch den Koeffizienten des Luftwiderstands hat man bisher unrichtig berechnet. Denn wenn man von Sinus 15 Grad ausgeht, dann ist die Gleichung die folgende«, fuhr er mit den Erklärungen fort und erhob sich, um mit seinem Fuß über den Boden zu fahren und eine neu beschreibbare Fläche zu schaffen. Doch mitten in dieser Bewegung hielt er inne und wandte sich mit einem kleinen, linkischen Lächeln an Bálint: »Aber wozu falle ich Ihnen zur Last, Herr Graf? Das ist höhere Mathematik, die Sie nicht verstehen können.«
    »Ganz im Gegenteil, es interessiert mich sehr. Ich habe in Klausenburg neben Rechtswissenschaften auch bei Martin gehört, und ich weiß genug, um Ihnen zu folgen und all das zu begreifen«, antwortete Abády.
    »So! So! So!«, erwiderte Jópál gedehnt, und sein Gesicht verschloss sich mit jedem Wort mehr. »Sie haben Mathematik gehört?«
    »Einige Vorlesungen über diese Fragen, über die Publikationen von Eiffel und Langley. Darum, wie schon gesagt, vertraue ich darauf, dass diese große Frage lösbar ist, und ich möchte Ihre Arbeit unterstützen.«
    Bálint meinte, er habe ermunternd gesprochen, doch seine Worte bewirkten das genaue Gegenteil.
    Jópál schritt wohl dreimal vor dem Vorbau auf und ab, um die Gleichungen und Zeichnungen auf dem Boden zu zertreten, und dabei wiederholte er immer gedehnter: »So! So!« Dann blieb er stehen, zu Bálint gewandt: »Ich danke sehr für die freundliche Einladung, kann sie aber nicht annehmen. Nein. Ich nehme sie nicht an!« Er zögerte kurz und fügte dann bei: »Ich habe einem Freund schon zugesagt. Ich ziehe zu ihm.«
    Das war offensichtlich unwahr. Offensichtlich schlug er das Angebot aus, da er glaubte, Bálint wolle sein Geheimnis ergründen.
    Einen Augenblick starrten sie sich gegenseitig an.
    »Sie kommen also nicht?«
    »Und wenn Sie, mein Herr, vor mir weiterhin verheimlicht hätten, dass Sie Mathematiker sind, da wäre ich …« Die Adern an seiner Stirn traten bei diesem Gedanken hervor, und sein Mund verzog sich vor den zusammengepressten Zähnen so, als wollte er zubeißen. Er beugte sich nach vorn und schrie beinahe vor Erregung: »Das ist kein Anstand! Sich so einzuschleichen! Einen so zu belauern! Einen so schlau zum Sprechen zu bringen! Das ist kein Anstand!«
    »Ich will nur helfen. Ich habe wirklich keine andere …«
    Der andere unterbrach ihn schreiend: »Helfen! Helfen! Alle sagen das, die spionieren wollen. Das kenne ich schon!«
    Zorn bemächtigte sich Bálints: »Aber das verbitte ich mir!« Doch Jópál hörte ihm nicht zu, sondern ging wütend auf und ab, und seine Reden wurden immer grimmiger. Bálint wusste nicht, was tun. Eigentlich, so ging ihm durch den Kopf, sollte man den Mann dafür ohrfeigen, dass er ihn so zu beschimpfen wagte. Und womöglich wäre es dazu gekommen, wenn der Erfinder vor ihm haltgemacht und das Wort an ihn gerichtet hätte. Doch der rastete keinen Augenblick, sondern schritt pausenlos hin und her und drehte sich jäh auf den Absätzen. Er blieb keine Sekunde neben ihm stehen, sondern lief bloß brüllend herum. Man müsste ihm nach, ihn festhalten, umdrehen, Aug in Auge. Wie lächerlich!, sagte sich Bálint. Diese wenigen Augenblicke vor der Entscheidung reichten, sich die Szene vorzustellen, sich selber zu sehen, wie er sich am fremden Ort, in Gáls Hof, mit diesem armseligen Erfinder raufte. Seine flinke, für die Situationskomik empfängliche Phantasie malte sich rasch jede Einzelheit aus. Er sah, wie er sich mit Jópál im Staub wälzte, wie der alte Schauspieler aus dem Haus trat und verblüfft gewahrte, dass sie sich prügelten. Er stellte sich alles so lebhaft vor, dass er beinahe lachen musste und sein Zorn verflog.
    Julis war auf den Lärm hin zur Küchentür herausgetreten. Sie schaute den beiden bestürzt zu. Und gewiss wunderte sie sich, als sie sah, dass der fremde Herr sich ihr zuwandte, vor ihr den Hut zog und lächelnd zum Tor hinausging, während Andris vor Wut herumbrüllte.
    Abády schritt den Hügel hinauf eilig davon. Selbst hier vernahm er noch

Weitere Kostenlose Bücher