Die Schrift in Flammen
Bálint.
»Was wollen Sie von ihm?«
»Wir möchten ihn besuchen.«
Das Mädchen musterte die beiden misstrauisch. »Sie hausieren nicht etwa mit irgendeiner Ware?«, fragte sie.
»Ach, wo! Wir kommen nur zum Besuch«, antwortete Bálint, und um den Verdacht zu zerstreuen, dass sie Händler sein könnten, nannte er die Namen mitsamt den Adelstiteln.
Diese machten auf das Mädchen nicht den geringsten Eindruck. Sie verblieb in kauernder Stellung bei ihrer Arbeit und deutete nur mit dem Kinn in die Richtung der Apfelbäume. »Dort drüben finden Sie ihn«, sagte sie und holte mit der kleinen Axt wieder aus, worauf der Kürbis bei den Schlägen laute Jammertöne von sich gab.
Ein Gemüsegarten lag hinter den Bäumen, und hernach zogen sich – auf etwa anderthalb Joch – Rebstöcke den Hang hinauf. Ganz unten stießen sie auf den alten Minya Gál. Unter einer auslaufenden Rebenzeile machte er sich in einem Graben mit dem Spaten zu schaffen. Mit breit ausholenden Bewegungen warf er den stecken gebliebenen Schlamm heraus. Seine hochgeschossene Gestalt schien ein wenig nur gekrümmter als bei Péter Abádys Beerdigung. Dabei waren seither mehr als zehn Jahre vergangen, und der alte Wanderschauspieler musste jetzt weit über neunzig sein. Auch sein langer, dickborstiger Schnurrbart war nicht ganz weiß geworden, sondern bläulich grau geblieben, und er hatte ihn, ebenso wie damals, mit brauner Wichse eingestrichen. Hemdsärmelig arbeitete er, in grauen, fadenscheinigen ungarischen Hosen und Stiefeln. Die Sehnen an seinen dürren, aber starkknochigen Armen hüpften unter den hervortretenden Adern wie dicke Seile hin und her, und das Leinen spannte sich über den gebeugten Rücken.
László Gyerőffy blieb auf dem Grenzrain stehen, während Bálint hinzutrat und wartete, dass der Alte ihn in den Blick bekam. Dann sprach er ihn an: »Onkel Minya! Erkennen Sie mich nicht? Bálint Abády bin ich, von Dénestornya.«
Der Greis musterte ihn mit seinen vom hohen Alter grau gewordenen Augen. Nach kurzem Zögern, während dessen sich die alten Erinnerungen zusammenfügten, erkannte er den Enkel seines Freundes. »Du bist der kleine Bálint! Ei, wie groß der junge Herr geworden ist!«, sagte er und schlug den Spaten kräftig in den Grabenrand; dann säuberte er seine riesigen Hände an der Hose und legte sie auf die Schulter des Jünglings. »Schön, dass Sie sich zu mir herbemühen, zu einem so steinalten Mann. Na, gehen wir ins Haus.«
Nachdem Bálint seinen Cousin vorgestellt hatte, begaben sie sich hinein. Der Alte schritt langsam, in steifer Haltung, doch mit sicherem Gang. Unterwegs rief er dem Mägdelein zu: »Julis, mein Kind! Bring schnell Zwetschgenschnaps und drei Gläser für die Herren!«
»Jawohl, Onkel Minya«, und sie lief zur Küchentür.
»Sie ist die Urenkelin meiner Schwester«, erläuterte Minya. Er ließ die Gäste vorangehen und führte sie so in das Zimmer auf der Straßenseite. Es war ein kühler, ausgedehnter Raum, in den man vom Ende des Vorbaus gelangte; die drei Fenster gingen auf den kleinen Blumengarten. Weißgestrichene Wände, spärliche Möblierung. Ein ausgedienter Wachstuchlehnstuhl beim Fenster, an der Wand eine lange, mit Tulpenmustern bemalte Bank, davor zwei Stühle und ein Tannentisch, darauf eine Petroleumlampe. In einer Ecke ein Büchergestell aus rohem Holz, darin unter zwanzig bis dreißig zerlesenen Büchern eine schwarz hervortretende, dicke Bibel. Auf der anderen Seite ein einfaches Bett, mit aufgetürmten, handgewobenen Kissen. Die Wände waren beinahe leer. An einem Nagel hinter dem Fußteil des Betts hing eine braun gewordene Geige, den Bogen hatte man unter den Saiten befestigt. Und über der Bank gab es ein einziges Bild, einen Steindruck in dünnem, goldenem Rahmen; er stellte einen gepanzerten Römer dar, der zu einer Rednergeste ausholte. Sie ließen sich um den Tisch nieder. Der Alte zeigte auf das Bild: »Der da wäre ich. Miklós Barabás hat mich gezeichnet, damals bei meiner Abschiedsvorstellung.«
Bálint las die gedruckte Beschriftung unter dem Bild: »Mihály Gál, hochverdientes Mitglied des Klausenburger Nationaltheaters, in der Titelrolle von ›Manlius Sinister‹, am 17. des Monats Mai 1862.«
»Wohin sind Sie dann damals gegangen, Onkel, wenn das Ihr Abschiedsauftritt war?«
»Nirgends hin. Ich zog mich zurück. Da ich eingesehen hatte, wie hundsmiserabel ich war. Man soll etwas, was man nicht beherrscht, nicht erzwingen wollen. Damals habe ich
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