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Die Schrift in Flammen

Titel: Die Schrift in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Miklós Bánffy
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war. Sein Ahne, der für den Namen stand, war seinerzeit deswegen sogar enthauptet worden. Hinter seinem Rücken aber hieß er – ohne jede Bösartigkeit – »Kajsza«, der Krumme, dies einzig darum, weil sein Mund sich beim Sprechen oder beim Anflug eines Lächelns (das selten vorkam) halbseitig verzog. Das stammte von einem alten Säbelhieb her, dessen Spur der dichte Schnurrbart nur mangelhaft verdeckte; die Narbe unterstrich vielmehr den harten, entschlossenen, stark männlichen Charakter.
    Die meisten unter den Kendys hatten einen ähnlichen, oft spöttisch gemeinten Spitznamen. Deren bedurfte es zur Unterscheidung, denn es gab ihrer viele. Außer »Kajsza« lebten noch zwei Sándor; der eine von ihnen hieß wegen seiner rastlosen Natur »Mozogós«, der Rührige, und den anderen hatten die Zeitgenossen »Zindi« getauft, da sie auf die Idee kamen, er gleiche sehr einem gewissen Albano Zindi, einem historischen Räuberhauptmann.
    In der vorbeiziehenden Halbdachkutsche saß noch Ambrus Kendy neben dem Woiwoden.
    Er, mehr als zehn Jahre jünger als Kajsza, war ein entfernter Verwandter, beinahe nur noch ein Namensvetter, glich ihm aber trotzdem auffallend. So verhielt es sich bei allen Kendys. Die Vererbungskraft dieses fruchtbaren Geschlechts war so gewaltig, dass man sie alle auf den ersten Blick erkannte, obwohl sich die einzelnen Zweige der Familie schon vor etlichen Generationen getrennt hatten. Alle hatten braune Haare, helle Augen, fast buschige Augenbrauen, und sie waren von sehr starkem Wuchs. Eine angriffig kämpferische, dem Vogelschnabel gleichende Nase bildete ebenso eine Gemeinsamkeit; da gab es die Adlernase des alten Kajsza, während die Form bei Ambrus an den Falken erinnerte, und so ging es bei sämtlichen in allen Varianten die Raubvögel entlang, vom Geier bis zum Graukopf und dem Dorndreher. Von der starken Erbkraft des Geschlechts zeugte auch das Faktum, dass manche unter den Kendys – da es ihrer so viele gab und das Familienvermögen sich auf solche Weise immer mehr teilte – bereits in der vorangegangenen Generation eine sogenannte »gute Partie« machten, sprich, eine Heirat schlossen, bei der die Mitgift schöner war als die Braut. Und trotzdem! Mochten sie sich eine noch so gebrechliche oder hässliche Frau nehmen, eine hinkende oder krumme, eine fette oder spindeldürre, ein Stumpfnäschen oder eine Knollennase, sie brachten stets die eigene lebenskräftige Art hervor, das scharfe Profil, die braunen Haare und die hellen Augen – lauter wohlgestaltete Burschen und hübsche Mädel.
    Es schien, als habe diesem kräftigen Stamm das häufige Zurückschneiden vor vielen Jahrhunderten, als zahlreiche Kendys auf dem Schafott endeten, eher gutgetan. Er spross umso mehr. Doch der alte Sándor und der jüngere Ambrus glichen sich nicht nur in ihren Gesichtszügen, sondern auch in ihren Manieren. Beiden war der Schnabel sehr bäuerlich gewachsen. Widerspruch, Ärger, ja mitunter selbst eine abweichende Meinung pflegten sie kurz mit einem unflätigen Wort zu erledigen. Kajsza hatte dies in Siebenbürgen eingeführt, er, dessen Generation und all die vorangegangenen selbst in der schlimmsten Wut niemals eine Unanständigkeit ausgesprochen hatten. Die Umgangsformen der beiden Kendys waren die gleichen, doch ihre Methoden verschieden. Der Woiwode sagte solche Dinge in finster befehlendem Ton, mit strengem, furchterregendem Gesichtsausdruck, und ihm, der das eine oder andere kurze und grobe Hauptwort stets so barsch hinwarf, schien es natürlich, dass niemand sich fand, der ihn nachahmte. Einer aber fand sich doch, und zwar gerade Ambrus Kendy. Freilich ahmte er nur das Was nach, das Wie dagegen wandelte er höchst begabt zu eigenen Gunsten ab. Er schleuderte mit herzlicher Gutmütigkeit die schrecklichsten Wörter aus sich hinaus, doch nicht in Kajszas angriffigem Ton, sondern in einer Art natürlicher, gutgelaunter Bäuerlichkeit, als könnte er gar nicht anders, als zwänge ihn sein ungehobeltes, aufrichtiges Wesen dazu. Als sagte seine ganze Gemütsart: »Es ist wohl wahr, ich bin grob, es stimmt, ich habe ein ungewaschenes Maul, aber ich bin halt so geboren, ich bin ein aufrichtiger, ungeschliffener, dafür aber ungekünstelter, echter Mann.« Der gütige Blick seiner hellblauen Augen, sein zum Schmunzeln stets bereiter voller, breiter Mund, die brummende Stimme und sein gemächlicher Gang, die breiten Schritte, unter denen der Boden erdröhnte, all das schien diesen Eindruck zu bestätigen

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