Die Schriften von Accra (German Edition)
sondern nur: ›Ich bin einem gefährlichen, falschen Weg gefolgt.‹
Denn sie achten deine Freiheit genauso wie du die ihre.
Und meide auch jene, die dir nur in traurigen Augenblicken mit Trostworten zur Seite stehen. Denn was sie damit eigentlich ausdrücken, ist: ›Ich bin stärker als du. Ich bin klüger als du. Ich hätte diesen Schritt nie getan.‹
Halte dich lieber an jene, die in glücklichen Stunden bei dir sind. Denn ihre Seelen kennen weder Eifersucht noch Neid, nur Freude darüber, dich glücklich zu sehen.
Meide jene, die sich für stärker halten. Denn in Wahrheit sind sie schwächer als du.
Halte dich vielmehr an jene, die sich ihrer Verletzlichkeit nicht schämen. Denn sie sind selbstbewusst und wissen, dass jeder irgendwann einmal strauchelt, und sehen das nicht als Zeichen von Schwäche, sondern als Ausdruck von Menschlichkeit.
Meide jene, die viel reden, bevor sie handeln, jene, die niemals einen Schritt getan haben, ohne vorher sicher zu sein, dafür gelobt zu werden.
Halte dich vielmehr an jene, die dir, wenn du dich irrtest, niemals gesagt haben: ›Ich hätte das anders gemacht.‹ Denn wenn sie etwas nicht getan haben, können sie darüber auch kein Urteil fällen.
Halte dich vielmehr an jene, die nur eine einzige Tür zu öffnen versuchen: diejenige ihres Herzens. Und die niemals ohne Erlaubnis in deine Seele eindringen und die niemals diese geöffnete Tür ausnutzen werden, um einen tödlichen Pfeil auf dich abzuschießen.
Freundschaft ist wie ein Fluss, der die Felsen umfließt, sich Tälern und Bergen anpasst, manchmal zum See wird, bis die Niederung gefüllt ist und er seinen Weg fortsetzen kann.
Denn so wie ein Fluss nicht vergisst, dass das Meer sein Ziel ist, wird die Freundschaft nicht vergessen,dass ihre einzige Daseinsberechtigung ist, den Freunden Liebe zu zeigen.
Meide jene, die sagen: ›Halt, hier geht’s nicht weiter.‹ Denn jene begreifen nicht, dass nicht einmal das Leben noch der Tod ein Ende sind, sondern nur Etappen der Ewigkeit.
Halte dich vielmehr an jene, die sagen: ›Auch wenn alles gut ist, müssen wir weitergehen.‹ Denn sie wissen, dass man immer bis hinter den bekannten Horizont gehen muss.
Meide jene, die sich zusammensetzen, um ernsthaft und voller Geltungsbedürfnis die Entscheidungen zu diskutieren, die die Gemeinschaft treffen müsste. Sie verstehen etwas von Politik, glänzen vor den anderen und versuchen, Klugheit zu zeigen. Aber sie begreifen nicht, dass es unmöglich ist, auch nur die Kontrolle darüber zu behalten, ob ein einziges Haar ausfällt. Disziplin ist wichtig, aber es müssen Türen und Fenster offen gehalten werden für die Intuition und das Unerwartete.
Tue dich mit jenen zusammen, die singen, Geschichten erzählen, das Leben genießen und freudig blicken. Denn die Freude ist ansteckend, und es gelingt ihr immer, eine Lösung zu finden, wo Logik nur die Erklärung eines Fehlers liefern kann.
Halte dich stattdessen lieber an jene, die zulassen, dass das Licht der Liebe sich ungehindert offenbart,ohne zu werten, ohne Hoffnung auf Belohnung und ohne Angst, missverstanden zu werden.
Gleichgültig, wie du dich fühlst, stehe jeden Morgen auf, und schicke dich an, dein Licht anzuzünden.
Diejenigen, die nicht blind sind, werden dein Strahlen sehen und davon bezaubert sein.«
Und ein Mädchen, das selten
das Haus verließ, weil es sich
selbst für langweilig hielt, sagte:
»Sprich zu uns über Eleganz,
Anmut und Vornehmheit!«
Auf dem Platz begannen die Leute
zu murren: Wie konnte man so eine
Frage am Vorabend der Einnahme
der Stadt durch die Kreuzritter stellen,
wo doch Blut durch alle Straßen
fließen würde?
Doch der Kopte lächelte – und sein
Lächeln war nicht abschätzig,
sondern voller Achtung angesichts
des Mutes des jungen Mädchens.
U nd er sagte:
»Eleganz wird häufig mit Oberflächlichkeit und gutem Aussehen verwechselt. Was ein großer Irrtum ist. Obwohl sie alle aus Buchstaben bestehen, können Wörter doch völlig unterschiedlich sein: elegant, Anstand ausdrückend, verletzend oder gar zerstörend. Es gibt Blumen, die wachsen auf dem Feld zwischen hohen Gräsern und sind doch elegant und anmutig. Die Gazelle, die vor dem Löwen flieht, tut dies mit Eleganz und Anmut.
Eleganz ist nichts Äußerliches, sondern in ihr wird ein Teil der Seele sichtbar.
Und selbst in noch so stürmischen Leidenschaften sorgen Eleganz und Anstand dafür, dass das, was die wahren Bindungen zwischen zwei Menschen ausmacht, nicht
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