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Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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eins hinten. Wir hörten eine Frau aufstöhnen, dann wurde ihre Stimme lauter und durchdringender. Mit offenem Mund starrten wir hin, als wir den nach hinten gewölbten Oberkörper einer Frau sahen, ihre nackten Brüste, die im Lichtschein eines Picknickpavillons schimmerten, den vor Wollust aufgerissenen Mund.
    Wir wollten in die andere Richtung gehen, aber die Frau lachte jetzt und schaute mit schweißnassem, glänzendem Gesicht aus dem Fenster.
    »Hey, Junge, weißt du, was wir grade gemacht ham? Das tut meiner Muschi so gut. Hey, komm her, du. Wir ham gefickt, mein Junge«, sagte sie.
    Damit hätte es vorbei sein sollen – eine unangenehme Begegnung mit weißem Abschaum, Leuten, die vermutlich betrunken waren und sich beim Schäferstündchen im Grünen hatten erwischen lassen. Doch die eigentliche Auseinandersetzung fing damit erst an. Der Mann am Lenkrad zündete sich eine Zigarette an, sodass sein Gesicht im Flammenschein wie Teig aufleuchtete, dann trat er heraus auf den Kies. Er hatte Tätowierungen an den Unterarmen, die wie dunkelblaue Schlieren wirkten. Mit zwei Fingern klappte er die Klinge eines Taschenmessers auf.
    »Ihr schaut wohl gern bei andern Leuten durchs Fenster?«, fragte er.
    »Nein, Sir«, sagte ich.
    »Das sind doch noch Jungs, Legion«, sagte die Frau auf dem Rücksitz, während sie ihre Bluse anzog.
    »Vielleicht bleiben sie das auch für immer«, sagte der Mann.
    Ich dachte zunächst, er wollte uns damit bloß erschrecken. Aber dann sah ich ihn deutlich vor mir, die pechschwarzen, nach hinten gekämmten Haare, das schmale Gesicht mit den steilen Falten, die Augen, mit denen er ein Kind anschaute, als wäre es die Ursache all seines Zorns auf Gott und die Welt.
    Dann rannten Jimmie und ich in die Dunkelheit, mit klopfendem Herzen, für immer verändert durch das Wissen, dass es auf der Welt dunkle Abgründe gab, in denen das Böse hauste.
    Da mein Vater nicht in der Stadt war, rannten wir bis zu dem Eishaus an der Railroad Avenue, hinter dem das hell erleuchtete und gepflegte Haus von Ciro Shanahan stand, dem einzigen Menschen, von dem mein Vater voller Bewunderung und Zutrauen sprach.
    Später sollte ich erfahren, warum mein Vater so viel Hochachtung vor seinem Freund hatte. Ciro Shanahan war einer jener rar gesäten Menschen, die ihr Leid stillschweigend erduldeten und sich schweres Unrecht zufügen ließen, um diejenigen zu schützen, die sie liebten.
    Es war in einer Frühlingsnacht im Jahr 1931, als Ciro und mein Vater südlich von Point Au Fer die Motoren ihres Bootes abstellten und auf die schwarz-grünen Umrisse der Küste von Louisiana starrten, die sich im Mondlicht abzeichnete. Die Wellen trugen Schaumkronen, und ein scharfer Wind bauschte die knatternde Plane auf, die über die Kisten voller mexikanischem Whiskey und kubanischem Rum gespannt war, die mein Vater und Ciro zehn Meilen weiter draußen von einem Trawler übernommen hatten. Mein Vater schaute durch seinen Feldstecher und betrachtete die Suchscheinwerfer, die im Süden über die Wellenkämme huschten. Dann stützte er das Glas auf das Dach des kleinen, aus rohem Kiefernholz gebauten Ruderhauses am Heck des Bootes, wischte sich die salzige Gischt vom Gesicht und musterte den Küstenstreifen. Zwischen ihnen und dem rettenden Ufer tanzten die Positionslichter von drei Booten in der Dünung.
    »Der Mond scheint. Ich hab dir doch gesagt, das is ’ne schlechte Nacht für so was«, sagte er.
    »Wir haben es früher auch schon gemacht. Wir sind immer noch da, nicht wahr?«, erwiderte Ciro.
    »Die Boote vor uns, das sind die Männer vom Staat, Ciro«, sagte mein Vater.
    »Das wissen wir nicht«, sagte Ciro.
    »Wir können uns nach Osten halten. Die Ladung bei Grand Chenier verstecken und später zurückkommen. Hör mal zu, du. Im Knast is noch keiner auf seine Kosten gekommen«, sagte mein Vater.
    Ciro war klein, gebaut wie ein Hafenarbeiter, hatte rote Haare, grüne Augen und einen schmalen, nach unten gezogenen irischen Mund. Er trug einen Segeltuchmantel und einen Fedora-Filzhut, der mit einem Schal am Kopf festgebunden war. Es war ungewöhnlich kalt für die Jahreszeit, und sein Gesicht war vom Wind gerötet, wirkte verkniffen und nachdenklich.
    »Der Mann hat seine Laster da oben stehen, Aldous. Ich hab ihm versprochen, dass wir heut Nacht kommen. Man lässt die Leute nicht warten«, sagte er.
    »Niemand kommt nach Angola, weil er in ’nem leeren Laster sitzt«, sagte mein Vater.
    Ciro wandte den Blick von meinem Vater

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