Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
ich.
»Ja, Sir.«
Ich kauerte mich neben ihn und warf den Deputys einen eindringlichen Blick zu. Sie gingen mit dem Schwarzen zu ihrem Streifenwagen, stiegen ein und ließen die Türen offen, damit der Wind durchziehen konnte.
»Mal sehen, ob ich das verstanden habe«, sagte ich zu dem Jungen. »Sie haben dich mit deinem T-Shirt und dem Gürtel gefesselt, haben dich beim Bachbett zurückgelassen und sind mit Amanda in den Wald gegangen? Typen in Strickmützen, die man übers Gesicht ziehen kann?«
»Genauso war es«, erwiderte er.
»Konntest du dich nicht befreien?«
»Nein. Es war echt fest.«
»Ich tu mir schwer mit dem, was du mir da erzählst. Es klingt nicht schlüssig, Partner«, sagte ich.
»Schlüssig?«
»T-Shirts sind keine Handschellen«, sagte ich.
Seine Augen wurden feucht. Er fuhr sich mit den Fingern in die Haare.
»Du hast ziemlich Schiss gehabt, was?«, sagte ich.
»Ich glaube schon. Ja, Sir«, erwiderte er.
»Ich hätte auch Schiss gehabt. Das ist nicht weiter schlimm«, sagte ich. Ich tätschelte seine Schulter und stand auf.
»Wollen Sie sich die verdammten Nigger schnappen oder nicht?«, fragte er.
Ich ging zu unserem Streifenwagen. Die Sonne, die jetzt tief am Horizont stand, hing blutrot über den Bäumen in der Ferne. Helen hatte gerade einen Funkspruch entgegengenommen.
»Was hältst du von dem Jungen?«, fragte sie.
»Schwer zu sagen. Er ist nicht der Allerglaubwürdigste.«
»Die Eltern des Mädchens sind grade aus Lafayette zurückgekommen. Das ist vielleicht ein Haufen Scheiße, Bwana«, sagte sie.
Das Haus der Familie war ein eingeschossiger weißer Holzbau, der zwischen der Staatsstraße und dem dahinter liegenden Zuckerrohrfeld stand. Eine Mooreiche, die im Winter kein Laub trug, spendete in den heißen Monaten auf der einen Seite Schatten. Nur durch den nummerierten Briefkasten unten an der Straße und den überdachten Autostellplatz, der aussah, als wäre er erst nachträglich angebaut worden, unterschied es sich von den anderen Häusern an der Straße.
Die Jalousien waren heruntergezogen. Weihwassergefäße aus Plastik waren an die Türen genagelt, im Wohnzimmer hing ein Kirchenkalender an der Wand und daneben eine von Hand bestickte Decke mit dem Vaterunser. Quentin Boudreau war der Vater, ein von der Sonne verbrannter, rotblonder Mann, der eine Nickelbrille, einen schlichten blauen Schlips und ein gestärktes weißes Hemd trug, in dem er sich vorkommen musste wie in einem Eisenpanzer. Sein Blick wirkte teilnahmslos, abwesend, so als ob ihm Gedanken durch den Kopf gingen, die er sich noch nicht zugestehen wollte.
Er drückte die Hand seiner Frau an sein Knie. Sie war eine kleine, dunkelhaarige Cajun, die mit niedergeschmetterter Miene dasaß. Weder sie noch ihr Mann sprachen oder versuchten, eine Frage zu stellen, während Helen und ich ihnen so schonend wie möglich erklärten, was mit ihrer Tochter geschehen war. Ich wollte, dass sie wütend wurden, uns beschimpften, rassistische Sprüche von sich gaben, irgendetwas machten, das mich von den Gefühlen erlöste, die ich hatte, als ich ihnen ins Gesicht schaute.
Doch das taten sie nicht. Sie waren demütig und bescheiden und momentan vermutlich gar nicht in der Lage, all das zu verstehen, was man ihnen sagte.
Ich legte meine Visitenkarte auf den Kaffeetisch und stand auf. »Unser herzliches Beileid für Sie und Ihre Familie«, sagte ich.
Die Frau hatte ihre Hände jetzt im Schoß gefaltet. Sie schaute darauf, blickte dann zu mir auf.
»Wurde Amanda vergewaltigt?«, sagte sie.
»Das muss der Coroner erst noch feststellen. Aber ja, ich glaube schon«, sagte ich.
»Haben sie Kondome benutzt?«, fragte sie.
»Wir haben keine gefunden«, erwiderte ich.
»Dann haben Sie die DNS von denen«, sagte sie. Ihre Augen waren jetzt schwarz und hart und auf mich fixiert.
Helen und ich gingen hinaus und überquerten den Hof. Der Wind wehte uns den Staub entgegen, aber nach dem langen heißen Tag wirkte er regelrecht kühl und roch nach dem Salz vom Golf. Dann hörte ich Mr. Boudreau hinter mir. Mit schwerfälligen Schritten kam er auf uns zu, als hätte er ein gichtiges Bein. Die eine Ecke seines Hemdkragens stand hoch, wie eine Speerspitze, die ihm an die Kehle gedrückt wurde.
»Was für eine Waffe haben sie benutzt?«, fragte er.
»Eine Flinte«, sagte ich.
Er kniff die Augen zusammen, schob seine Brille hoch. »Haben sie meiner Kleinen ins Gesicht geschossen?«, fragte er.
»Nein, Sir«, erwiderte ich.
»Im
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