Die Schuld der Väter (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Gesicht hätten ihr diese Hurensöhne nämlich lieber nichts antun sollen«, sagte er und fing im Vorgarten an zu weinen.
Am nächsten Morgen stießen wir durch die Fingerabdrücke, die an der am Tatort aus dem Autofenster geworfenen Bierdose gesichert worden waren, auf einen Namen – Tee Bobby Hulin, ein fünfundzwanzig Jahre alter schwarzer Taugenichts und unverbesserlicher Klugscheißer, dessen schmächtige Statur ihn so manches Mal davor bewahrt hatte, dass er in seine sämtlichen Einzelteile zerlegt wurde. Seine Akte war gut zehn Zentimeter dick und enthielt etliche Strafbefehle, unter anderem, weil er mit neun Jahren erstmals wegen Ladendiebstahls festgenommen worden war, mit dreizehn ein Auto geklaut, in seiner Highschool Tüten vertickert und sich hinter dem hiesigen Wal-Mart einen Laster voller Toilettenpapier geschnappt hatte und damit weggefahren war.
Seit Jahren schon war Tee Bobby immer knapp davongekommen, indem er den Leuten um den Bart ging, sich mit Charme und Scharwenzeln durchmogelte und alle davon überzeugte, dass er eher ein Schlawiner als ein Bösewicht war. Außerdem besaß er noch eine andere, eine größere Gabe, auch wenn er sie allem Anschein nach überhaupt nicht verdient hatte – als ob Gott eines Tages aufs Geratewohl mit dem Finger auf ihn gezeigt und ihm eine Musikalität geschenkt hätte, wie sie niemandem mehr zuteil geworden war, seit Guitar Slim seine bei aller Schwermut hinreißend schönen Plattenaufnahmen eingespielt hat.
Als Helen und ich an diesem Abend bei einem Drive-in-Restaurant unweit des City Parks auf Tee Bobbys Spritschlucker zugingen, stand sein Akkordeon auf dem Rücksitz, glänzend wie Elfenbein und gesprenkelt wie das Innere eines Granatapfels.
»Hey, Dave, was gibt’s?«, sagte er.
»Reden Sie Respektspersonen nicht mit dem Vornamen an«, sagte Helen.
»Schon kapiert, Miss Helen. Ich hab doch nix angestellt, was?«, sagte er und zog die Augenbrauen hoch.
»Das müssen Sie uns verraten«, sagte ich.
Er tat, als dächte er ernsthaft nach. »Nee. Keinen Schimmer. Wollt ihr ein Stück von meinem Krabbenburger?«, sagte er.
Seine Haut schimmerte mattgolden wie abgewetztes Sattelleder, die Augen waren blaugrün, die Haare leicht eingeölt, lockig, kurz geschnitten und im Nacken hoch ausrasiert. Nach wie vor schaute er uns mit einem dämlichen Grinsen an.
»Legen Sie Ihre Autoschlüssel unter den Sitz und steigen Sie in den Streifenwagen«, sagte Helen.
»Das klingt nicht gut. Ich glaub, ich ruf lieber meinen Anwalt an«, sagte er.
»Ich habe nicht gesagt, dass Sie festgenommen sind. Wir hätten bloß gern ein paar Auskünfte von Ihnen. Haben Sie was dagegen?«, sagte Helen.
»Ich hab’s schon wieder kapiert. Die Weißen bitten bloß um Hilfe. Da müssen sie niemand seine Rechte vorlesen. Klar doch will ich der Polizei helfen«, sagte er.
»Sie sind ja eine wandelnde Benimmfibel, Tee Bobby«, sagte Helen.
Zwanzig Minuten später saß Tee Bobby allein in einem Vernehmungszimmer in der Sheriff-Dienststelle des Bezirks Iberia, während Helen und ich in meinem Büro miteinander redeten. Der Himmel draußen war mit braunen Wolkenstreifen gerippt, die Bahnschranken am Schienenstrang waren geschlossen, und ein Güterzug zockelte zwischen Baumgruppen und Hütten, in denen Menschen lebten, die Gleise entlang.
»Was für ein Gefühl hast du dabei?«, fragte ich.
»Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dieser Clown jemand mit einer Flinte ermordet hat«, sagte sie.
»Er war am Tatort.«
»Dieser Fall stinkt, Streak. Mit Amandas Freund stimmt einfach irgendwas nicht.«
»Mit Tee Bobby auch nicht. Er tut zu unbeteiligt.«
»Lass mir einen Moment Zeit, bevor du reinkommst«, sagte sie.
Sie ging in den Vernehmungsraum und ließ die Tür einen Spalt offen, damit ich ihr Gespräch mit Tee Bobby mithören konnte. Sie stützte sich auf den Tisch, sodass sie ihn mit einem ihrer muskulösen Arme leicht berührte, und beugte sich an sein Ohr. Eine zusammengerollte Illustrierte ragte aus der hinteren Tasche ihrer Jeans.
»Wir haben Hinweise darauf, dass Sie am Tatort waren. Das lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Ich würde mich damit auseinander setzen«, sagte sie.
»Gut. Bringen Sie mir ’nen Anwalt. Dann setz ich mich damit auseinander.«
»Möchten Sie, dass wir Ihre Großmutter herholen?«
»Jetzt will Miss Helen, dass ich ein schlechtes Gewissen kriege. Weil Sie ja eine dicke Freundin von meiner Familie sind. Weil meine Großmama früher immer die
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