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Die Schuld des Tages an die Nacht

Titel: Die Schuld des Tages an die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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ich nie existiert … Und das war noch längst nicht alles. Isabelle hatte die unerfreuliche Eigenschaft, den anderen ihre eigenen Vorlieben und Abneigungen aufzudrängen. Wenn sie jemandem nicht gewogen war, verlangte sie von ihrer Umwelt, dass diese ihn verstieß. Und so kam es, dass ich immer weniger Plätze zum Spielen fand, und dieZahl der Mitschüler, die mir aus dem Weg gingen, wuchs. Nur um Isabelle zu rächen, suchte Jean-Christophe Lamy einmal auf dem Schulhof mit mir Streit und polierte mir ausgiebig die Visage.
    Jean-Christophe war ein Jahr älter als ich. Er war der Sohn eines Hausmeisterehepaars, und seine soziale Stellung erlaubte ihm nicht, groß anzugeben, aber er war bis über beide Ohren in die trutzige Nichte des Pépé Rucillio verliebt. Und hatte mich nur deshalb grün und blau geschlagen, um ihr zu zeigen, wie sehr er sie liebte und wie weit er für sie gehen würde.
    Der Lehrer, entsetzt über mein lädiertes Gesicht, befahl mich aufs Podest und herrschte mich an, ich solle ihm den »Wilden« zeigen, der mich derart zugerichtet hatte. Da das Geständnis auf sich warten ließ, schlug er mir erst mit dem Lineal auf die Finger und ließ mich dann bis zum Ende der Stunde in der Ecke stehen. Nach dem Unterricht behielt er mich im Klassenzimmer, während die anderen schon gegangen waren, in der Hoffnung, mir doch noch den Namen des Missetäters zu entlocken. Nach einigen Drohgebärden sah er ein, dass ich nicht nachgeben würde, und ließ mich gehen, doch er versprach mir, ein paar Takte mit meinen Eltern zu reden.
    Germaine bekam fast einen Herzinfarkt, als ich mit meiner Matschbirne nach Hause kam. Sie wollte natürlich auch gleich wissen, wer mich derart übel zugerichtet hatte, doch sie erntete nichts als resigniertes Schweigen. Sie beschloss, mich umgehend zur Schule zurückzubringen, um die Angelegenheit zu klären. Aber mein Onkel, der im Wohnzimmer in seinem Eck vor sich hin sinnierte, redete ihr das wieder aus: »Du wirst ihn nirgendwo hinbringen. Es ist höchste Zeit, dass er endlich lernt, sich selbst zu verteidigen.«
    Ein paar Tage später, als ich auf einem Weg am Rand der Weingärten herumtrödelte, kam Jean-Christophe Lamy mit Simon Benyamin und Fabrice Scamaroni – die drei waren unzertrennlich – querfeldein auf mich zu. Obwohl sie nicht angriffslustig wirkten, war mir mulmig zumute. Das hier war nichtihre Gegend, sie trieben sich doch viel lieber auf dem belebten Dorfplatz oder dem freien Feld, wo sie lärmend Fußball spielten, herum. Ihre Anwesenheit hier ließ mich nichts Gutes ahnen. Fabrice kannte ich flüchtig, er war eine Klasse über mir und hatte in der großen Pause immer ein Bilderbuch vor der Nase. Er war kein Störenfried, nur war er stets bereit, seinem Kumpel, diesem Strolch von Jean-Christophe, beizuspringen. Falls es hart auf hart käme, würde er ihn womöglich unterstützen. Jean-Christophe brauchte eigentlich keine fremde Hilfe; er verstand es wie kein Zweiter, Schläge auszuteilen und denen der anderen auszuweichen. Doch da ihn bisher noch keiner zu Boden geworfen hatte, war ich nicht sicher, ob sein Freund sich heraushalten würde, wenn die Sache sich zu seinem Nachteil entwickelte. Er war völlig unberechenbar und konnte ohne Vorwarnung einem Mitschüler eine Ohrfeige versetzen, einfach nur um eine öde Diskussion zu beenden. Er war in meiner Klasse, spielte den Kasper in der letzten Reihe, ärgerte die Streber und die Angepassten. Er war einer der wenigen schlechten Schüler, die protestierten, wenn ihnen der Lehrer eine schlechte Note verpasste, und er hatte eine Aversion gegen Mädchen, vor allem, wenn sie hübsch und fleißig waren. Ich bekam es gleich am ersten Tag in der Schule mit ihm zu tun. Er hatte alle schlechten Schüler um mich versammelt und lauthals meine glatten Knie, mein »Mädchengesicht« und meine neuen Schuhe, die er irgendwie froschartig fand, verspottet. Da ich auf seinen Spott nicht reagierte, hatte er mich als »Lackaffen« beschimpft und dann links liegenlassen.
    Jetzt trug Jean-Christophe ein Paket unterm Arm. Ich folgte seinem Blick, eines heimlichen Signals an seine Kameraden gewärtig. Doch er wirkte nicht so arglistig wie sonst, er hatte nicht diesen gespannten Gesichtsausdruck, der darauf schließen ließ, dass er gleich jemanden verprügeln würde.
    »Wir wollen dir nichts Böses!«, rief Fabrice mir von weitem zu.
    Jean-Christophe kam geradezu schüchtern näher. Er wirkte verwirrt,ja reumütig, und auf seinen Schultern

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