Die Schuld einer Mutter
immer Sie mir anvertrauen, bleibt unter uns. Fürchten Sie, Ärger zu bekommen, wenn Sie mit mir reden?«
»Was, wenn ich mich irre?«
»Sie meinen, wenn Sie mir falsche Informationen geben?«
»Wenn ich die falsche Person beschuldige.«
Joanne lässt entspannt die Schultern fallen und erklärt: »Wir haben eine Zeugin, die den Verdächtigen identifizieren wird, sobald wir ihn festgenommen haben. Falls der von Ihnen Beschuldigte nicht unser Verdächtiger ist, werden wir das sofort merken.«
Joanne streckt den Arm aus und berührt ganz flüchtig Teresa Petersons Handgelenk. »Sie haben nichts zu befürchten. Wirklich, wir werden keinen Unschuldigen verhaften. Warum erzählen Sie mir nicht einfach, wie Sie darauf kommen, diese bestimmte Person zu verdächtigen?«
Teresa Peterson greift in die Tasche ihrer wasserdichten Jacke und zieht ein zerfleddertes Taschentuch heraus. Sie schnäuzt sich und kneift die Augen zu. Ihre Lippen bewegen sich, aber kein Ton kommt heraus. Joanne begreift, dass sie entweder betet oder ein Mantra aufsagt, um sich zu beruhigen.
Dann öffnet sie die Augen wieder. »Ich wollte ein Foto machen«, flüstert sie, »ein Foto von meinen Schuhen. Sie sind von Kurt Geiger und viel zu hoch, mir jedenfalls, denn eigentlich kann ich auf Stilettos nicht laufen. Ich sehe darin lächerlich aus. Ich hätte sie gar nicht erst kaufen sollen, aber das war so eine Laune von mir, und … jetzt stehen sie unnütz im Schrank herum.«
Sie sieht Joanne an, wie um zu fragen: Soll ich weitersprechen? Und Joanne nickt.
»Und dann habe ich unsere Kamera gefunden. Sie lag nicht dort, wo wir sie normalerweise aufbewahren.«
Sie ringt verzweifelt die Hände, und Joanne wirft einen verstohlenen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Wie dem auch sei«, sagt sie. »Ich habe sie gefunden. Aber als ich das Foto schießen wollte … Oh, sorry, ich habe ganz vergessen, Ihnen zu erzählen, dass ich die Schuhe bei eBay einstellen wollte, dazu brauche ich das Foto …«
»Das habe ich mir schon gedacht …«
»Als ich das Foto schießen wollte, funktionierte die Kamera nicht. Die Speicherkarte war verschwunden, und ich dachte, wie seltsam. Es gab keinen Grund dafür. Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen.«
»Was fiel Ihnen wie Schuppen von den Augen?«
»Dass mein Mann der Täter ist. Mein Mann ist derjenige, der diese Mädchen verschleppt hat.«
Joanne lächelt die Frau an und seufzt.
»Mrs Peterson, meinen Sie nicht, dass Sie hier voreilige Schlüsse ziehen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein. Ich habe die Speicherkarte in der Innentasche seines Mantels gefunden.«
Joanne zieht die Augenbrauen hoch.
»Deswegen sind wir hierhergezogen«, sagt Teresa Peterson hastig. »Wir mussten unsere Heimat verlassen, weil er es schon einmal getan hat. Man konnte ihm zwar nichts nachweisen. Aber Merv hat immer gesagt, jetzt haben wir Dreck am Stecken. Deswegen haben wir uns hier oben auf die Stelle beworben, als in der Zeitung nach einem Ehepaar gesucht wurde, das die Geschäftsleitung des Hotels übernimmt.«
»Welches Hotel?«
»Das George in Grasmere.«
»Woher stammen Sie denn ursprünglich, Mrs Peterson?«
»Aus Ipswich. Suffolk.«
»Und Ihr Mann heißt Merv?«
»Mervyn Peterson. Wenn Sie es überprüfen, werden Sie feststellen, dass er zur Vernehmung vorgeladen wurde, weil die Freundin unserer Tochter behauptet hat, er hätte sie fotografiert.«
»Wie alt war sie damals?«
»Zwölf.«
Joanne gibt sich größte Mühe, keine Miene zu verziehen.
»Er hat alles abgestritten und mir geschworen, dass nichts davon stimmt, und ich habe ihm geglaubt. Aber jetzt habe ich das hier gefunden.« Sie zieht eine digitale Speicherkarte aus ihrer Handtasche – eine SanDisk 4GB – und reicht sie Joanne.
Joanne nimmt die Karte ungerührt entgegen. »Was ist darauf, Mrs Peterson?«
Die Frau fängt zu zittern an. »Fotos. Fotos von Mädchen … pornografische Fotos von Heranwachsenden … und auch ein paar von seiner Mutter. Sie wurde letzten Monat siebzig, und wir sind zur Familienfeier gefahren.«
»Und Sie sind sicher, dass die Fotos nicht von Ihrer Tochter stammen? Das sind keine Bilder, die Ihre Tochter gemacht hat und vielleicht niemandem zeigen wollte?«
Teresa schüttelt den Kopf. »Nein, sie ist es nicht«, antwortet sie. »Da bin ich mir ganz sicher.«
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I ch setze Sam bei der Schule ab und spreche kurz mit Mrs Corrie, seiner Lehrerin, über den Weihnachtsbasar. Ich lasse mich überreden, die einzige Leckerei
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